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Blutige Nacht

Blutige Nacht

Titel: Blutige Nacht
Autoren: Trevor O. Munson
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informiert bin. Keiner gibt einem ein Handbuch, wenn man verwandelt wird. Denn sollte das tatsächlich möglich sein, dann kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie man es anstellen muss.
    Andererseits stimmt es, dass Vampire außerordentlich stark sind, eine Tatsache, die meiner Ansicht nach nur zum Teil der gesteigerten übernatürlichen Kraft zuzuschreiben ist. Nach meinen Erfahrungen sind bei Vampiren alle Sinneswahrnehmungen in hohem Maße ausgeprägt – außer einem, dem Tastsinn. Tote, blutleere Glieder können einfach nicht dasselbe Feingefühl für Druck empfinden. Das Ergebnis ist eine besorgniserregende Taubheit des ganzen Körpers. Von der angenehmen Seite betrachtet, bedeuten weniger Nervenenden eine höhere Schmerzgrenze. Dort, wo lebendiges Fleisch sich starken Schmerzen beugen würde, gibt totes Fleisch noch lange nicht auf. Umso weniger Schmerzen man wahrnimmt, desto mehr kann man ertragen. Umso mehr man ertragen kann, desto stärker ist man. So einfach ist das.
    Ich beschließe, mich meiner Muskelkraft zu bedienen. Ich greife zwei schmiedeeiserne Stäbe und ziehe. Einer bricht, der andere verbiegt sich. Das reicht. Ich quetsche mein mageres Gerippe durch die Lücke, darauf bedacht, meinen besten Anzug nicht zu zerreißen. Nach der Anstrengung ganz müde und benommen, klopfe ich mich ab, erklimme die terrassenförmig angelegten grünen Rasenflächen und mische mich unter die Gäste.
     
    Durch geschwungene Fenstertüren betrete ich einen filmreif dekorierten Raum aus einer anderen Epoche. Einer besseren Epoche. Meiner Epoche. Auf der anderen Seite des Raums, über die redenden Köpfe der Gäste hinweg, im pompösen, nach unten durchgestuften Wohnraum, mache ich im Eingangsbereich einen Erkerturm aus sowie eine gewundene Treppe, die nach oben führt. Teure Drucke – das können unmöglich Originale sein – bedecken die Wände. Der Großteil der Möbel wurde aus dem Wohnzimmer entfernt, dennoch gehe ich nach unten, um einen genaueren Blick auf einen gekachelten, in die Wand eingelassenen Kamin mit interessantem Maya-Motiv werfen zu können. Mir ist ganz schwindelig. Das Tropicana, Reesa, das Canter’s und jetzt dieser Ort. Egal, wohin ich heute Abend gehe, überall scheine ich Geister zu jagen.
    Blind für die Magie dieses Ortes und somit auch nicht dafür empfänglich, stehen die Gäste mit ihren Gläsern in der Hand unter der hohen gewölbten Decke herum. Soweit ich das beurteilen kann, handelt es sich um einige langweilige Dumpfbacken – Szenaristen, Regisseure, Produzenten und halbwegs wiedererkennbare Schauspieler aus Hollywood, von denen jeder allein aufgrund dessen, dass er im Filmgeschäft tätig ist, glaubt, interessanter zu sein, als er tatsächlich ist. Ich schüttle den Kopf. Das ist Kalifornien. Wo bleiben ein ordentliches Erdbeben oder ein Erdrutsch, wenn man sie braucht?
    Ich ergattere ein Champagnerglas vom Tablett einer vorbeigehenden Kellnerin. Daran nippend, gehe ich auf eine alternde, Botox-gespritzte Schauspielerin zu, die an einem Panoramafenster in der Nähe steht und traurig auf die entfernten Lichter der Stadt hinausstarrt. Ich habe sie nur deshalb erkannt, weil sie die Tochter einer Schauspielerin ist, für die ich früher ziemlich geschwärmt habe. Ihr Gesicht ist mit Gift zu einem starren Totenkopfgrinsen gespritzt. Ich lächle sie an in der Hoffnung, dass meine Augen das Entsetzen, das ich empfinde, nicht widerspiegeln. Sie lächelt zurück, aber sie hat ja auch nicht wirklich eine Wahl.
    »Ihr letzter Film war gut«, lüge ich, nicht, weil ich ihn nicht mochte, sondern weil ich ihn nicht gesehen habe. Ich bin mir jedoch sicher, dass ich ihn verabscheut hätte, hätte ich die Gelegenheit gehabt, ihn zu sehen.
    »Oh, vielen Dank, wie nett von Ihnen, das zu sagen.« Wir schütteln uns die Hände. »Ich kann immer noch nicht verstehen, warum er direkt als DVD herauskam.«
    »Tja, Geschmäcker gibt’s in dieser Stadt!«
    »Wie wahr.«
    Falls das möglich ist, ist ihr Lächeln jetzt noch breiter. Okay, genug Schwachsinn. Ich beschließe, auf den Punkt zu kommen, bevor sie sich dazu entschließt, ihren letzten Fan auf dem Planeten zu bespringen.
    »Haben Sie unseren Gastgeber hier irgendwo gesehen?«, frage ich wie immer taktisch klug, um Vin Prince, den ich noch nie zuvor gesehen habe, gezeigt zu bekommen. Darin bin ich gut.
    »O ja, ich habe ihn gerade erst gesehen. Mal sehen …« Sie dreht sich um und schaut hinüber zur provisorisch aufgestellten Bar,
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