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Blutige Nacht: Roman (German Edition)

Blutige Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Blutige Nacht: Roman (German Edition)
Autoren: Trevor O. Munson
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kaum mehr abwarten, weshalb ich mich beeile. Ich trage die Phiole zum Schreibtisch. Dort nehme ich eine antiquierte Nadel, wie Knochensäger sie einst verwendeten, aus dem Sterilisator, setze sie zusammen und schraube den Düsenkopf auf den Hohlraum der Spritze. Ich lasse den Verschluss der Phiole aufploppen und tauche die schimmernde Spitze in das Blut der Götter. Dann ziehe ich den Kolben nach hinten, und eine ordentliche Portion dickes Blut fließt in die Spritze, bevor ich den Verschluss der Phiole wieder vorsichtig verschließe, um den Rest für später aufzubewahren. Danach binde ich meinen eiskalten Bizeps mit Hilfe einer Gummischlinge ab, die ich mit langen, scharfen Zähnen festzurre.
    Über die Jahre ist Fixen für mich zu der Methode geworden, wie ich mir Blut am liebsten verabreiche. Das Ritual hat etwas Besänftigendes. Ein Überbleibsel aus meiner Zeit als Heroinabhängiger. Jeder Junkie wird bestätigen, dass die Auswirkungen stärker sind und etwas länger anhalten, wenn man spritzt. Was soll ich sagen? Alte Gewohnheiten lassen sich nur schwer ablegen.
    Ich klopfe meinen Arm auf der Suche nach einer hervorstehenden Vene ab. Als ich eine gefunden habe, stoße ich die Nadel hinein, bevor die Vene verschwinden kann wie eine Schlange im Wasser. Ich muss fest zustoßen, um meine gefrorene Haut zu durchdringen. Ich drücke den Kolben herunter. Scheiße aber auch, es fühlt sich einfach gut an. Sogar altes Blut. Frisches ist am besten, aber jedes Blut wäre in Ordnung – solange es nur menschlich ist.
    Ich ziehe die Nadel heraus und lecke die Spitze ab. Lecker. Als die Zähne sich zurückziehen, beruhigen sich meine angespannten Nerven, mein Durst verringert sich.
    Wie immer werde ich vom einsetzenden Rausch schläfrig. Ich döse in meinem Sessel, starre aus halbgeschlossenen Lidern auf die gerahmte Schwarzweißfotografie auf der einen Ecke meines Schreibtischs. Es ist ein Schnappschuss von mir und meinen alten Band-Mitgliedern, aufgenommen nach einer Show im Million Dollar Theater zwischen der Third und dem Broadway gegen Ende des Jahres ’43. Allesamt gute Jungs. Und ich als einziger Weißer in der Gruppe.
    Mit Armen so schwer wie Sandsäcke greife ich mit beiden Händen nach dem Bilderrahmen, um einen besseren Blick auf das Ich zu werfen, das ich einmal war. Groß und zu dünn, fast schon kränklich. Wahrscheinlich von den Drogen. Dunkles Haar, noch dunklere Augen. Ein wichtigtuerisches Grinsen. Ein ständig rasierbedürftiges Kinn. Gutaussehend, aber nicht zu gut aussehend. Sie wissen schon, was ich meine.
    Ich schüttle den Kopf. Ich erkenne diesen Burschen kaum wieder. Nach allem, was ich gesehen und getan habe, habe ich den Eindruck, ich müsste anders aussehen, aber das tue ich wahrscheinlich nicht. Es ist schwierig, das genau herauszufinden.
    Entgegen anderslautender Gerüchte haben Vampire Spiegelbilder. Der zufällige Beobachter würde ein menschliches Antlitz im Spiegel sehen, doch wenn ich hineinschaue, sehe ich nur das Monster, in das ich mich verwandle. Und wenn jeder Tag ein schlechter Tag im Spiegel ist, dann hört man auf, hineinzusehen.
    Das schwarze Telefon vor mir klingelt schrill. Genug der Nostalgie. Ich stelle das Foto zurück und gehe ran.
    »Ja?«
    Eine rauchige, weibliche Stimme ertönt in der Leitung. »Mr. Angel?«
    »Am Apparat.«
    »Mein Name ist Reesa van Cleef. Ich hätte einen Auftrag, den ich gern mit Ihnen besprechen würde.«
    »Worum geht es?«
    »Ich würde lieber persönlich mit Ihnen darüber sprechen. Wäre es möglich, dass wir uns treffen?«
    »Alles ist möglich. Wann passt es Ihnen?«
    »Morgen hätte ich tagsüber Zeit. Ich könnte zu Ihnen ins Büro …«
    »Da passt es nicht. Morgen bin ich ziemlich beschäftigt.«
    »Dann übermorgen.«
    »Es ist so, Miss van Cleef, ich arbeite lieber nachts. Ich bin da ein bisschen komisch. Eine Marotte, wenn Sie so wollen.«
    »Oh, ich verstehe …«
    »Stimmt etwas nicht?«
    »Nein, es ist nur so, also … ich arbeite ebenfalls nachts. Ich bin Tänzerin, Burlesque-Tänzerin. Ich trete an fünf Abenden in der Woche im Tropicana auf.«
    »Verstehe.«
    »Wäre es zu viel verlangt, Sie zu bitten, dorthin zu kommen?«
    Normalerweise wäre es das. Normalerweise muss ein Kunde, der meine Hilfe will, verdammt noch mal, zu mir kommen. Doch da ich den Auftrag gebrauchen kann und diese spezielle Kundin eine Burlesque-Tänzerin ist, na ja, da denke ich bei mir, ich könnte nur dieses eine Mal eine Ausnahme machen.
    »Klar
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