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Blutgrab

Blutgrab

Titel: Blutgrab
Autoren: Andreas Schmidt
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Der laut tickende Blechwecker auf dem Nachttisch zeigte, dass es fast acht Uhr war. Um diese Zeit begann der Dienst. Hatte Ulbricht nach den ereignisreichen letzten Tagen und dem Wein etwa verschlafen?
    Hastig stieß Maja die Bettdecke fort und setzte sich aufrecht hin. Nachdem sie sich einmal gestreckt hatte, stand sie auf und durchquerte barfuß das Schlafzimmer. Im Flur herrschte Dunkelheit, nur durch die Milchglasscheibe der Wohnzimmertür fiel das Sonnenlicht in den schmalen Korridor. Maja öffnete die Tür ohne anzuklopfen und fand die Couch verwaist vor. Die Decke hatte er nicht ordentlich zusammengelegt wie er sonst immer tat, wenn er bei ihr in Hameln zu Besuch war. War er im Bad?
    »Norbert?«, rief Maja, doch sie erhielt keine Antwort. Sie ging zum Bad, lauschte, klopfte und betrat das Badezimmer, nachdem sie drinnen nichts vernommen hatte. Auf den ersten Blick bemerkte sie, dass die Sachen, die er gestern Abend noch über den Wannenrand gelegt hatte, verschwunden waren.
    Und es roch nach Deo, also hatte er die Morgentoilette schon erledigt.
    Maja warf einen Blick in die Küche. Dabei fiel ihr Blick auf den gedeckten Frühstückstisch. Wurst, Käse, Marmelade und Brot, er hatte alles bereitgelegt. Sogar ein buntes Frühstücksei und den dazu passenden Salzstreuer. Leider gab es nur ein Gedeck, doch auf dem Teller lag ein Zettel. Sie nahm ihn und las, was Norbert - offenbar unter Eile - geschrieben hatte:
    Ich musste schnell los, es gab einen Zwischenfall. Mach ihr einen schönen Tag, ich fang die Verbrecher und zeige dir dann mein Wuppertal!
    Wenn was ist - ruf an,
    Gruß Norbert
     
    P.S.: In der Nacht ist der Strom ausgefallen, also wunder dich nicht, man kümmert sich bereits darum.
    Maja überflog die Zeilen drei Mal, dann setzte sie sich an den gedeckten Tisch. Warum hatte er sie nicht geweckt? Gestern hatte er sie so in seinen Fall involviert, dass sie sich nicht so recht über die gewonnene Freizeit freuen konnte. Was war das für ein Zwischenfall, von dem er schrieb?

17
    Ulbricht lenkte den Opel in elegantem Bogen in die Einfahrt von Brabenders Grundstück. Erst heute fiel ihm der Carport auf, in dem ein dunkler Jaguar parkte; auf dem Kennzeichen die Initialen von Georg Brabender hinter dem W.
    »Mein Mann ist zu Hause«, murmelte Gisela Brabender. »Wahrscheinlich lässt er das Geschäft heute noch geschlossen.«
    »Wenn er vernünftig ist«, erwiderte Ulbricht. »Er war ziemlich durch den Wind, wegen Ihrer Entführung. Die Sache mit dem Überfall war gestern in Radio und Fernsehen; heute steht sie bestimmt groß in jeder Zeitung. Man würde ihm die Bude einrennen, wenn er öffnet. Die Leute sind neugierig und heucheln ihr Mitgefühl. Wahrscheinlich liegen schon einige Blumensträuße vor dem Eingang, mit denen man der jungen Braut Beileid bekunden will. Und Kerzen, und Abschiedsbriefe.« Ulbricht schüttelte den Kopf, nachdem er den Motor abgeschaltet hatte. »Nein, das wäre kein guter Arbeitstag für Ihren Mann und seine Mitarbeiterinnen.« Er dachte daran, dass Gisela Brabender ein Verhältnis mit Carolin Mertens' Exmann gehabt hatte. Darum würde er sich später kümmern. Nun galt es erst einmal, Gisela Brabender nach der Entführung so etwas wie ein gewohntes Umfeld zu geben.
    »Soll sich jemand um Sie kümmern?«, fragte Ulbricht in die entstandene Stille hinein.
    Sie lächelte. »Ich brauche keinen Polizeiseelsorger«, sagte sie mit einem Kopfschütteln.
    »Wie Sie meinen.«
    Sie stiegen aus, und Ulbricht erkannte zum ersten Mal seit Langem ein seichtes Sonnenlicht, das sich durch die grauen Wolken drängte. Die Vögel in den Bäumen zwitscherten, und es war fast eine kleine Idylle, die plötzlich von einem Schuss unterbrochen wurde.
    Eine fette Taube, die in einem der Kastanienbäume im Garten gehockt hatte, erhob sich mit klatschenden Flügelschlägen träge in die Luft.
    Gisela Brabender zuckte zusammen und blickte aus weit aufgerissenen Augen den Kommissar an, der sofort seine Dienstwaffe aus dem Holster zog.
    »Sie bleiben hier, verstecken Sie sich hinter dem Wagen«, zischte er leise. »Das kam aus dem Haus. Ich werde nachsehen.«
    Ohne sich noch einmal zu ihr umzudrehen, marschierte Ulbricht mit der Waffe im Anschlag auf den Hauseingang zu. Oben angekommen, legte er die Hand auf die Klinke. Zu seiner Verwunderung hatte Brabender nicht abgeschlossen. Ulbricht stand im Flur und lauschte. Nichts, absolute Stille empfing ihn. Er blickte in die Küche, die er verlassen vorfand. Auch im
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