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Blutfehde

Blutfehde

Titel: Blutfehde
Autoren: Linda Fairstein
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eigene Art vorzubereiten. In den kommenden Stunden würde das Privatleben dieser Frau in allen Einzelheiten vor den Geschworenen und der Öffentlichkeit ausgebreitet. Die intimsten Details ihres Alltags würden von mir und von der Verteidigung zerpflückt, großteils Dinge, die sie, wenn überhaupt, nur mit Leuten ihres Vertrauens, die ihr nahestanden, besprochen hatte.
    Sobald die Türen aufgeschlossen waren, würden sich die ersten beiden Sitzreihen hinter mir, links und rechts vom Mittelgang, mit den Reportern sämtlicher Zeitungen, Fernseh- und Radiosender der Stadt sowie den freien Mitarbeitern der landesweiten Medien füllen. Die Reihe dahinter war für die Familie des Opfers reserviert - ihre Mutter, ihre zwei Schwestern und ihre engsten Freunde. Der Rest des Publikums bestand aus New Yorker Bürgern, darunter viele Stammgäste, die das Schauspiel im Gerichtssaal genossen, egal welches Verbrechen verhandelt wurde und die sich an diesem Junitag auch von der Hitze nicht abschrecken ließen. Andere wiederum waren da, weil Kameras während der Verhandlungen im Staat New York nicht erlaubt waren, was bedeutete, dass der Fall nicht von Anfang bis zum Ende auf Court TV zu sehen war. Und natürlich wären auch viele junge Pflichtverteidiger anwesend sowie Kollegen von der Bezirksstaatsanwaltschaft, um Lern Howells Stil zu studieren, beziehungsweise mich moralisch zu unterstützen.
    Ich kannte meinen Fall in- und auswendig. Ich kannte seine Schwächen und Stärken - Letztere würden die zwölf Geschworenen und vier Ersatzgeschworenen nicht einmal alle zu hören bekommen: Einige Beweisstücke waren bereits in den Voruntersuchungen als unzulässig oder nicht beweiserheblich abgewiesen worden. Außerdem würde Howell sein Bestes tun, Antrag über Antrag vorzubringen, um meinen Spielraum noch mehr einzuschränken.
    Ich hatte mich auf die heutigen Zeugenbefragungen vorbereitet. Ich brauchte die Zeit nicht mehr, um meine Arbeit zu machen.
    Ich hatte die letzte halbe Stunde damit verbracht, über Amanda Quillian nachzudenken. Mike hatte Recht - sie hatte mit mir gesprochen, immer und immer wieder, durch die verschiedenen Beweise, die er und ich in den Monaten nach ihrem Tod gesammelt hatten.
    Ich betrachtete das Foto aus dem Leichenschauhaus, um mir zu vergegenwärtigen, wie eloquent die schrecklichen Verletzungen an ihrem kräftigen, gesunden Körper von Anfang an ihre Geschichte erzählt hatten. Ich betrachtete das Foto, um mir zu vergegenwärtigen, wie wütend ich gewesen war, als ich den Leichnam in der Gerichtsmedizin gesehen hatte, sie war an einem ungewöhnlich warmen Herbsttag eines von drei Mordopfern in Manhattan gewesen. Ich betrachtete das Foto, um mir zu vergegenwärtigen, dass diejenigen, die sie liebten, ihr Vertrauen in mich setzten, damit ich den Mörder - die Mörder - von Amanda Quillian zur Rechenschaft zog.
    »Detective Michael Patrick Chapman, Mordkommission Manhattan North, schwören Sie, die Wahrheit zu sagen, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit, so wahr Ihnen Gott helfe?« Die kräftige Stimme meines Widersachers dröhnte von der Tür, die ein Gerichtspolizist für ihn geöffnet hatte.
    »Lemuel Howell der Dritte. Mein Lieblings-Black-Panther!« Mike hielt die Schwingtür zwischen dem Zuschauer- und dem Anwaltsbereich des Gerichtssaals auf. Seine Bemerkung spielte auf Howells Hautfarbe und schlanke, elegante Erscheinung an, nicht auf seine politische Einstellung.
    »Alexandra, meine Liebe, guten Morgen.« Lern stellte seine monogrammierte Lederaktentasche neben seinen Stuhl und schüttelte Mike die Hand. Dann fasste er mich am Ellbogen und gab mir einen Kuss auf die Wange. Lern hatte schon immer zu den Leuten gehört, die Körperkontakt suchen: Er Strich seinem Gegenüber über den Arm, die Hand, den Rücken und sah ihm dabei tief in die Augen, sodass derjenige wohl oder übel von ihm Notiz nehmen musste.
    »Hallo, Lern.«
    »Kühl, gefasst und mit einem leichten Hauch von Jasmin im Parfüm«, sagte er und schnupperte an meinem Ohr. »Lavendel. Trotzdem danke.«
    »Ich habe eine nützliche Information für Ihr Privatleben, Detective. Coco Chanel war der Ansicht, dass Frauen sich dort einparfümieren sollen, wo sie geküsst werden wollen.« Lern drückte meinen Arm, bevor er ihn losließ.
    »Dann schnüffeln Sie lieber an Coops Hinterteil als an ihrer Nase«, sagte Mike. Lern zwinkerte mir zu und trommelte mit seinen langen Fingern auf meinen Aktenstapel, bevor er an seinen Tisch ging. »Sie
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