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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller
Autoren: Sharon Bolton
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Garten umherhuschen mochte. Eine feuchte Locke klebte an ihrer runden Wange. Die Faust hatte sie gegen den Mund gedrückt, der Daumen ragte im rechten Winkel daraus hervor. Als hätte sie beim Einschlafen am Daumen gelutscht und irgendein Gedanke im Schlaf habe sie dazu veranlasst, ihn auszuspucken. Ihr Bäuchlein hob und senkte sich, hob und senkte sich.
    Ungefähr zwei Jahre alt. Die Beinchen noch pummelig genug, um unsicher dahinzustapfen, die Lippen begannen gerade, Worte zu formen. In ihren Augen würde, wenn sie offen waren, die vertrauensselige Unschuld einer frisch geschaffenen Person liegen. Sie hatte noch nicht gelernt, dass Menschen einem wehtun konnten.
    Eine Speichelblase hatte sich zwischen ihren winzigen rosigen Lippen gebildet. Sie verschwand und bildete sich dann erneut. Das Kind seufzte, und die Blase platzte. Und das Geräusch schien durch den stillen Septembervormittag zu treiben.
    »Ah, da da da«, murmelte das kleine Mädchen im Schlaf.
    Sie war einfach wunderschön. Genau wie die anderen.

4
     
    Joe sprang auf und rannte los. Ohne nachzudenken folgte Tom ihm, und die beiden Jungen sausten die Stufen hinauf und durch die offene Kirchentür. Tom erhaschte einen flüchtigen Blick auf den hellhaarigen Mann vor ihnen, der auf den Altar zuging, und dann hechtete Joe hinter die hinterste Kirchenbank. Tom tat es ihm nach.
    Die Steinplatten, die den Boden bedeckten, waren staubig. Unter den Kirchenbänken konnte Tom Spinnennetze sehen, manche unversehrt und vollkommen, andere zerrissen und mit den Leichen längst toter Fliegen verziert. Die mit Teppichstoff bezogenen Betkissen hingen ordentlich an Haken.
    »Er betet«, flüsterte Joe, der über die Lehne der Bank spähte. Tom stemmte sich hoch. Der Mann mit den Shorts kniete vor den Altarstufen; seine Ellenbogen ruhten auf dem Geländer, und er schaute zu dem großen Buntglasfenster an der Vorderseite der Kirche empor. Es sah wirklich aus, als würde er beten.
    Ein plötzliches Geräusch draußen ließ Tom herumfahren. Die Kirchentür war offen, und er sah ganz kurz eine Gestalt daran vorbeirennen. Jake und seine Gang waren immer noch da und warteten. Ein jähes Zerren zog ihn hinter die Banklehne hinab.
    »Er hat was gehört«, hauchte Joe.
    Tom glaubte zwar nicht, dass sie ein Geräusch gemacht hatten, doch er erschrak trotzdem. Wenn der Mann sie fand, würde er sie vielleicht hinausschicken, und dort lauerten Jake und die anderen. Joe hatte es riskiert, abermals den Kopf zu heben. Tom tat es ihm nach. Der Mann mit den Shorts hatte sich nicht von der Stelle gerührt, doch er betete nicht mehr, so viel war klar. Sein Kopf war aufgerichtet, und sein Körper hatte sich versteift. Er lauschte. Dann stand er auf und drehte sich um. Joe und Tom duckten sich so schnell, dass sie mit den Köpfen zusammenstießen. Jetzt waren sie geliefert. Sie waren ohne Erlaubnis in der Kirche, und wenn man so wollte, hatten sie ein Fenster kaputt gemacht.
    »Ist da wer?«, rief der Mann. Er klang verwundert, aber nicht verärgert. »Hallo«, rief er. Seine Stimme trug mit Leichtigkeit bis in den hinteren Teil der Kirche.
    Tom versuchte aufzustehen. »Nein!«, zischte sein Bruder und klammerte sich an ihn. »Er meint doch gar nicht uns!«
    »Natürlich meint er uns«, zischte Tom zurück. »Sonst ist doch niemand hier.«
    Joe antwortete nicht, sondern hob nur ganz vorsichtig den Kopf, wie ein Soldat, der über eine Brustwehr späht. Dann schaute er nach unten und bedeutete Tom mit einem Nicken, es ihm gleichzutun. Der Mann mit den Shorts ging langsam auf eine Tür rechts vom Altar zu. Er griff nach der Klinke und zog sie auf. Dann blieb er im Türrahmen stehen und schaute in den Raum dahinter.
    »Ich weiß, dass jemand da drin ist«, rief er, wie ein Vater beim Versteckspielen. Er stammte aus dem Norden, aber nicht aus Lancashire oder aus Yorkshire gleich jenseits der Grenze. Noch weiter nördlich, tippte Tom. Vielleicht aus Newcastle.
    Tom hob die Hände und machte sein Was ist denn jetzt los? -Gesicht. Es waren drei Personen in der Kirche, und sie beide waren zwei davon.
    »Willst du nicht rauskommen und Guten Tag sagen?« Es sollte so klingen, als wäre dem Mann das Ganze völlig egal, das wusste Tom. Doch es klappte nicht ganz. Der Mann war nervös. »Ich muss gleich abschließen«, fuhr er fort, »und das geht wirklich nicht, wenn sich einer hier versteckt.« Dann fuhr er auf dem Absatz herum. »So langsam ist das kein Witz mehr«, knurrte er, als er rasch auf die
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