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Bluterde

Bluterde

Titel: Bluterde
Autoren: Claudia Praxmayer
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Backenzähne aufeinander.
    »Wen?«
    »Kimbangu. Er liegt da drüben.«
    Joseph deutete mit seiner Waffe hinter sich. Wortlos schob sich der Primatologe an seinen vier Rangern vorbei und stampfte auf die Baumgruppe zu. Erst als er die behaarte Hand zwischen den Blättern sah, wurden seine Schritte langsamer. Dort lag Kimbangu, der Silberrücken, der seine Familie so klug und umsichtig geführt hatte.
    Tot.
    Sein Körper ragte wie ein riesiger schwarzer Berg aus dem Gestrüpp.
    »Diese Schweine. Drei Kugeln von hinten.«
    Femis Stimme bebte vor Zorn. Er wusste, die Killer wären nie so nahe an die Gruppe gekommen, wären die Tiere nicht an menschliche Gegenwart gewöhnt gewesen. Er war stolz darauf gewesen, dass sich Kimbangus Gruppe in relativ kurzer Zeit an die regelmäßigen Patrouillen seiner Ranger gewöhnt hatte. Sie wollten die Tiere vor Wilderern schützen.
    Über Adolphes steil nach oben gezogenen Augenbrauen stapelten sich Stirnfalten.
    »Ob sie noch in der Nähe sind?«
    Omari schüttelte den Kopf.
    »Das waren keine Wilderer! Die hätten die Tiere mitgenommen oder ihnen zumindest Kopf und Hände abgehackt.«
    Adolphe wurde blass.
    »Aber wer sonst?«
    Femi fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, als ob er damit bedrohliche Gedanken verscheuchen könnte.
    »Es ist eine Drohung. Und sie gilt uns. Wir …«
    Ein Rascheln in der Nähe von Millas totem Körper ließ den Primatologen abrupt verstummen. Niemand hatte in dem Chaos an Kivu gedacht – Millas erstes Baby. Er war erst ein paar Monate alt und ohne seine Mutter im Dschungel dem sicheren Tod ausgeliefert. Femi wusste aus Erfahrung, dass Gorillababys immer in der Nähe ihrer Mütter blieben –
    »Vielleicht ist es Kivu! Schnell!«
    Die Männer schlichen zurück zu dem Gebüsch, aus dem das Geräusch gekommen war. Auf Omaris Kommando bog Joseph vorsichtig ein paar Äste auseinander. Nichts. Er wühlte sich tiefer in das grüne Dickicht. Ein brauner Schatten huschte eilig an ihm vorbei. Er machte unwillkürlich einen Schritt zurück. Eine Buschratte. Er hatte den feisten Nager beim Fressen aufgeschreckt. Systematisch durchkämmten sie das Gestrüpp. Keine Spur von Kivu.
    »Entweder ist Kivu tot oder sie haben ihn mitgenommen«, überlegte Omari laut.
    »So ein Gorillababy bringt auf dem Schwarzmarkt viel Geld.«
    Femi wandte sich wortlos ab und ging zu seinem Rucksack. Er holte die Videokamera aus dem Seitenfach und begann mit zitternden Händen, das Massaker zu dokumentieren. Er würde das Material brauchen – für die Parkaufsichtsbehörde, das WPS-Büro in Berlin, möglicherweise die Medien. Bei dem Gedanken, wie sehr sich diese Aufzeichnungen von jenen vor zwei Tagen unterscheiden würden, durchfuhr ihn ein Schauer. Der Silberrücken Kiku und seine Gruppe war friedlich beim Fressen und Spielen. Und jetzt das. Er richtete seine Kamera auf Kimbangu und registrierte, dass Joseph in einiger Entfernung etwas rief. Aber die Aufnahmen der toten Gorillas forderte seine ganze Aufmerksamkeit. Beim Zoom auf die Einschusslöcher fühlte er eine Welle von Übelkeit in sich aufsteigen. Er sicherte die Aufnahme und versuchte, mit ein paar tiefen Atemzügen seine Wut in den Griff zu bekommen. Das hektische Treiben und die aufgeregten Stimmen in seinem Rücken lenkten ihn ab. Laut fluchend drehte er sich zu seinen Männern um. Was er sah, ließ ihn verstummen.
     
    Der April zeigte sich von seiner besten Seite. Berlin war seit Tagen von frühlingshaftem Sonnenschein durchzogen. Lea riss alle Fenster und Türen in ihrer Wohnung auf und rückte dem letzten Wintermief auf den Pelz. Das Bettzeug landete auf dem Balkon, die frisch gewaschenen Winterpullis wurden in den hintersten Winkel ihrer Schränke verbannt. Leise summend wischte sie Schubladen aus, den Putzeimer immer neben sich. Ihre Freunde hielten sie für durchgeknallt, weil ihr am ersten warmen Wochenende nichts Besseres einfiel, als den Besen zu schwingen. Lea ließen die Sticheleien kalt. Sie war mit täglichem Putzen, Wischen und Schrubben aufgewachsen. Ihre Mutter war Ärztin und hatte penibel auf Hygiene geachtet. Händewaschen nach dem Spielen, Händewaschen, wenn sie den Hund gestreichelt hatte, Händewaschen, bevor sie einen Keks naschen durfte. Als Kind hatte sie dagegen rebelliert. Heute musste sie sich eingestehen, dass die Abwesenheit von Reinigungstüchern sie nervös machte. Nach dem Tod ihres Großvaters – bakterielle Lungenentzündung –, waren die hygienischen Helfer zu einer festen Größe
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