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Bluterde

Bluterde

Titel: Bluterde
Autoren: Claudia Praxmayer
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in ihrem Leben geworden. Mit anderen Worten: Seit ihrem einundzwanzigstem Lebensjahr hatte ihre Neurose sie fest im Griff.
    Lea schnappte sich den Eimer und ging ins Badezimmer. Die Sonne fiel durch das Fenster und ließ Staubpartikel in der Luft flirren. Schwungvoll versprühte sie eine halbe Flasche Badreiniger und machte sich ans Werk. Während sie den Spiegel im Badezimmer wienerte, betrachtete sie ihr Gesicht. Ein paar Lachfalten um die Augen, eine auffällige Zornesfalte zwischen den Augenbrauen, aber für Mitte dreißig sah sie noch ganz gut aus. Ob McAllister sie attraktiv fand? Sie drehte ihren Kopf langsam von einer Seite zur anderen, studierte ihr Profil. Du benimmst dich wie ein Teenager!, kommentierte eine Stimme in ihrem Hinterkopf. Sie hatten sich nur ein einziges Mal getroffen, aber ihr eMail-Verkehr hatte sich in den letzten Wochen deutlich intensiviert. Mittlerweile ging sie sogar vor dem Schlafengehen noch einmal online, um ihr elektronisches Postfach zu checken. Sie mochte seine sture Art, ihre auf Englisch verfassten Mails prinzipiell auf Deutsch zu beantworten. Nie versäumte er es, sich nach dem Fortgang des Gorilla-Projektes zu erkundigen. Und jedes Mal endeten seine Mails mit der Frage, wann sie nach London käme. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Was wohl passieren würde, wenn sie tatsächlich in seiner Stadt auftauchte? Ein Kribbeln machte sich in ihrem Bauch breit. Sie verscheuchte den Gedanken, wischte ein letztes Mal mit dem feuchten Zeitungspapier über das Glas und sammelte die Papierknäuel vom Boden auf. Als sie den Müllsack aus der Ecke holen wollte, klingelte es an der Tür. Lea streifte ihre Gummihandschuhe ab und betätigte die Gegensprechanlage.
    »Hey Putzteufel! Wenn du nicht schnell die Tür aufmachst, schmilzt das Eis!«
    Jasmin. Lea schmunzelte und drückte auf den Türöffner. Sie kannte die Freundin seit dem Biologie-Studium und der Zufall hatte sie beide nach Berlin geführt. Ein Grund, warum Lea sich in der Stadt so wohl fühlte. Jasmins dunkler Schopf tauchte im Flur auf, in der rechten Hand schwenkte sie eine Papiertüte.
    »Schoko, Joghurt, Pistazie. Ich hoffe, es ist was dabei für deinen verwöhnten Gaumen.«
Lea räumte den Wohnzimmertisch notdürftig frei und stellte Teller auf den Tisch. Während Jasmin zwei riesige Eisbecher vorsichtig aus der Tüte hob, fragte sie beiläufig:
    »Und? Hast du schon einen Flug nach London gebucht?«
     
    Femi saß müde hinter dem Steuer seines klapprigen Landrover 109. Er schwitzte. Nur der Fahrtwind, der durch das mit Dreck bespritzte Seitenfenster strömte, verschaffte ihm etwas Erleichterung. Eine kurze Nacht und zwei Stunden Quälerei über schlammige, von Grasbuckeln durchsetzte Wege im Nationalpark lagen hinter ihm. Ihm war klar, wie viel Glück er gehabt hatte. Oft war die Strecke zu dieser Jahreszeit mit dem Auto unpassierbar, weil Wassermassen sie unterspülten. Ein Stück weiter vorne sah er die Straße nach Matale durch die Bäume schimmern. Oder das, was in seiner Heimat als Straße bezeichnet wurde – eine rot-braune Piste mit unberechenbaren Fahrrinnen und tiefen Kratern, die man selbst mit dem Geländewagen besser umfuhr. Sie schlug eine Schneise durch das Grün. Femi hatte keine Augen für die üppige Vegetation. Das Fahren forderte seine ganze Konzentration. Eine Unachtsamkeit und der Reifen war platt oder eine Achse angeschlagen und er durfte unter keinen Umständen mit dem Auto liegenbleiben. Nicht die Reparatur oder fehlende Ersatzteile machten ihm Angst, sondern die Rebellen. Ein kaputtes Auto hieß keine Chance auf Entkommen. Für das neue Projektgebiet hatte er für seine Ranger eine klare Regel aufgestellt: Nie alleine unterwegs!
    Gerade eben brach er sie selbst.
    Ein einzelner Mann in einem Auto, das wegen der schlechten Straßen nur langsam vorankam – leichte Beute für die Rebellen hier am Rande des Kahuzi-Biega-Nationalparks.
    An den wenigen Stellen, an denen die Piste gut befahrbar war, huschten seine Augen weit voraus, um mögliche Straßensperren rechtzeitig zu erkennen. Wie allen Menschen, die im Kongo aufgewachsen sind, lag ihm die Wachsamkeit im Blut.
    Wieder ein Buckel, dem er nicht ausweichen konnte. Der Landrover knallte mit voller Wucht darüber. Unkontrolliert rollte seine Wasserflasche durch den Beifahrer-Fußraum, die Armaturen und sein Maschinengewehr klapperten synchron dazu. Das Auto bot viel Platz für seine große Gestalt, trotzdem schmerzte sein Rücken von dem permanenten
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