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Bluterde

Bluterde

Titel: Bluterde
Autoren: Claudia Praxmayer
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stemmte die massigen Oberarme in den Boden und reckte seinen Kopf fast arrogant in die Höhe. Mit dem typischen Brummen, als ob sich ein heiserer alter Mann räuspern würde, bewegte er sich langsam auf ein paar Weibchen der Gruppe zu. Femi beeilte sich, die Videokamera in Anschlag zu bekommen. Er nestelte hektisch am Linsendeckel herum und registrierte, dass Kiku aus seinem Blickfeld verschwunden war. Während seine Finger weiter versuchten, den Deckel abzuschrauben, wanderten seine Augen über die Lichtung. Keine Spur von Kiku.
    Ein paar Meter vor ihm begannen die Farne zu wirbeln wie ein Meer bei Sturm und ein grelles Kreischen zerschnitt die Stille.
    Femi erstarrte, als der gewaltige Gorillamann durch den grünen Hintergrund brach. Mit der Wucht eines Panzers schoss er direkt auf ihn zu. Fünf Meter, vier, drei – kurz bevor Kiku den Forscher erreicht hatte, drehte er nach rechts ab und verschwand lautstark im Unterholz.
    Femi atmete langsam aus. Obwohl er das Spiel kannte, trieb es seinen Adrenalinspiegel jedes Mal in die Höhe. Er wusste, dass ihn der Silberrücken nicht wirklich angreifen, sondern demonstrieren wollte, wer hier im Regenwald der Chef war. Entgegen der gängigen Meinung war King Kong nicht repräsentativ für diese friedfertigen Primaten.
    Hinter ihm gluckste Omari.
    »Du warst schon zu lange nicht hier, Femi. Kiku erkennt dich nicht mehr.«
     
    Am späteren Nachmittag ging ein kräftiger Regenschauer nieder. Innerhalb kürzester Zeit verwandelte sich der Boden in knöcheltiefen Schlamm und die Männer kämpften sich halb rutschend zurück zum Camp. Sie waren hungrig und müde, als sie das provisorische Lager erreichten. Als Jüngstem der Truppe fiel Adolphe die Aufgabe zu, das Essen zuzubereiten. Er verschwand in einem der drei Zelte und stöberte in der luftdichten Metallkiste nach geeigneten Zutaten. Femi wollte die Pause nutzen, um seine Beine im Zelt auszustrecken. Er zog das feuchte T-Shirt aus, wischte sich damit das Gesicht ab und rieb seine Haare trocken. Dann kramte er ein Hemd aus seinem Rucksack und zog es über. Er legte sich auf seine Matte und hörte zu, wie sich die Männer draußen in Lingala unterhielten. Er genoss den Klang der Sprache mit den vielen weichen Nasallauten und melodischen französischen Elementen. Erinnerungen an seine Kindheit in Kinshasa überschwemmten sein Gehirn. Er dachte an seine Mutter. Sie hatte sich mit ihm so gut wie nie auf Französisch unterhalten, Lingala ging ihr leichter von den Lippen. Obwohl ihn das monotone Gemurmel vor dem Zelt schläfrig gemacht hatte, nahm er die Veränderung in Omaris Stimme sofort wahr. Es ging um die Coltan-Mine, die hier in der Nähe lag. Femi wusste, dass er Omari und seinen Männern mit der Betreuung des neuen Forschungsgebietes einiges zumutete. Mit den Rebellen war nicht zu spaßen. Seine Ranger würden viel darum geben, weiter mit ihren anderen Kollegen im relativ sicheren Ostteil des Kahuzi-Biega-Nationalparks auf Gorilla-Patrouille zu gehen und Touristen zu führen. Aber Femi brauchte die besten Männer hier – im Westteil des Parks.
    Omari spähte durch die Zeltplanen.
    »Essen ist fertig. Es ist trocken, wir können draußen sitzen.«
    Lange war nur das Kratzen der Löffel in den Blechnäpfen zu hören. Als der letzte Rest Saka Saka, Maniokbrei mit Palmöl, in den Mägen der Männer verschwunden war, lehnte sich Femi zurück und blickte in die vier schweigenden Gesichter.
    »Es gab letzte Woche also wieder Stress?«
    Omari nickte.
    »Wir brauchen Verstärkung hier draußen. Ein bis zwei Männer.«
    Femi strich sich langsam mit Daumen und Zeigefinger über den schmalen Bart.
    »Ich habe bereits mit WPS in Deutschland gesprochen und um Geld für einen zusätzlichen Mann gebeten. Ich hoffe, dass Lea mir nächste Woche Bescheid gibt.«
    Joseph sprang auf, griff nach der betagten Kalaschnikow neben sich und schüttelte sie heftig.
    »Femi! Die Waffen sind alt, die Ausrüstung schlecht und wir zu viert. Wie sollen wir es da mit den Rebellen aufnehmen?«
    Femi hob die Hand und bedeutete ihm, sich wieder hinzusetzen.
    »Gar nicht, weil das nicht euer Job ist. Ihr sollt unsere Gorilla-Gruppen beobachten und dafür sorgen, dass die Wilderer ihre Finger von ihnen lassen.«
    Josephs Gesicht zog sich zusammen.
    »Du weißt genau, dass sich die Tiere oft im Einzugsgebiet der Minen herumtreiben. Die Rebellen sehen es gar nicht gerne, wenn wir dort Gorillas zählen.«
    »Schluss jetzt, Joseph«, schnitt Omari ihm das Wort
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