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Blut soll fließen

Blut soll fließen

Titel: Blut soll fließen
Autoren: James Ellroy
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zu schaffen. Die Regale reichten ans Matterhorn und kratzten fast an den Wolken.
    Er hatte vierundvierzig Papierbomben, in Netzbeuteln mit Schraubverschluss. Er öffnete den Seesack und stellte sie in ein Regal nach dem anderen. Er kam zum Boden des Seesacks. Die Herzschlag-Mixtur war ausgeflossen. Die Spritze war zerdrückt.
    Er stand da. Eine Million Stimmen sagten: »Mistkerlchen, Spanner, pariguayo.« Er hielt sich die Ohren zu. Sie wollten nicht verstummen. Die Stimmen bedrängten ihn. Er blieb auf dem Boden sitzen, bis sie sich ausgeschrien hatten.
    Er legte die Gasmaske an. Er rannte durch den Keller. Er öffnete alle vierundvierzig Schraubverschlüsse.
    Die Dämpfe stiegen auf.
    Die farbigen Wolken erhoben sich.
    Das Papier sengte an, zerknüllte, zerbröselte und verkohlte. Hier und da gab es kleinere Explosionen. Die Regale wackelten. Die Farbe löste sich von den Wänden. Die Dämpfe wechselten mehrmals die Farbe: dunkel/hell, dunkel/hell. Papierfitzelchen lösten sich in Luft auf.
    Crutch ging die Treppen hoch und zog die Tür hinter sich zu. Das Küchenlicht ging an. Mr. Hoover stand am Kühlschrank.
    Crutch griff in die Tasche und zog den Smaragd hervor. Mr. Hoover erzitterte und fasste den Edelstein scharf ins Auge.
    Das Funkeln hörte nicht auf. Mr. Hoover konnte den Blick nicht abwenden. Das grüne Leuchten strahlte hell und heller. Mr. Hoover schwankte und sabberte. Mr. Hoover fasste sich an die Brust und stolperte nach oben.
    (Los Angeles, 03.05.72)
    Das machte Schlagzeilen. Herzschlag, mit siebenundsiebzig.
    Sie fühlte nichts. Die Nachrufe würden preisen und diffamieren. Dwight hatte ihn aus ihr herausgerissen. Es war ihr gleichgültig geworden.
    Joan parkte vor dem Haus.
    Nachrichten plärrten aus der Nachbarstür. In einem Fenster sah man einen Fernseher schimmern. Der Junge hatte diesen Ort »Wohnung Nr. 3 « genannt. Sein frisiertes Auto war weg. Sie öffnete die Tür mit einer falschen Kreditkarte und ließ sich ein.
    Das Wohnzimmer war unaufgeräumt. Eine Brise wirbelte Papierreste durch den Raum. Die Luft roch eigenartig. Die Wände zeigten Rußflecke.
    Ein Haufen Auto-Zeitschriften. Reagenzgläser und Glaskolben. Notizen auf Schmierblöcken. Eine abgesägte Schrotflinte.
    Sie öffnete die Handtasche und holte die Kamera raus. Sie rollte ihren Pullover hoch, um ihm zu zeigen, wie sie sich verändert hatte. Sie hielt sich die Kamera auf Armlänge vom Leib und knipste.
    Der Abzug schoss eine Minute später heraus. Das Bild nahm Konturen an. Sie stellte es auf die vordere Fensterbank.
    Deine Entschlossenheit hat mir zu neuer Entschlossenheit ver-holfen.
    Ich habe keine Ahnung, was mal aus Dir wird.
    Ich bin dankbar, dass ich das mit Dir erleben durfte.
    DOKUMENTENEINSCHUB : 11.05.72. Auszug aus dem privaten Tagebuch von Karen Sifakis.
    Los Angeles, 11. Mai 1972
    Ich gehe. Dies ist meine letzte Tagebucheintragung. Das Haus ist verkauft, der Wagen gepackt. Die Mädchen sind sicher auf dem Rücksitz verstaut, gemeinsam mit Ellas Stofftieren. Ich werde nie mehr an einem College unterrichten müssen. Die Beute eines höllisch gewalttätigen Raubzugs wird mir bis zum Ende meiner Tage den Lebensunterhalt sichern.
    Zurzeit besitze ich noch keinen Nachnamen. Ich habe alle falschen Identitäten abgelehnt, die mir angeboten wurden. Das ist ein Risiko, aber ich nehme es dankbar auf mich. Zu gegebener Zeit werde ich den Mädchen die ganze Geschichte erzählen und berichten, wie ich an den Namen Holly gekommen bin.
    Ich habe das Haus verschlossen und einen letzten Blick auf die Notunterkunft geworfen; ich habe sichergestellt, dass alle Wagentüren verriegelt sind. Dina hat ein bisschen geschmollt; Ella hat mich angegrinst. Dabei ist mir die kleine Rote Flagge aufgefallen, die am Sitz angebracht war.
    Ich sah mich um. Ich wollte sie ein letztes Mal sehen oder zumindest ihren Zigarettenrauch spüren. Sie war weg. Sie hat Abschiednehmen stets als mystisch und anmaßend empfunden. Genossen sollten jederzeit bereit sein, wieder zusammenzufinden oder sich auf immer zu verlieren. Der Glaube siegt.
    HEUTE
    Die Fotografie blieb erhalten. Die Geschichte blieb damals, vor siebenunddreißig Jahren, stehen. Die Geschichte setzte mit dem ersten mir zugesandten Papierstoß erneut ein.
    Die Dokumente haben mich in unregelmäßigen Abständen erreicht. Stets anonym aufgegeben. Ich habe Tagebuchauszüge, Oral-History-Transkripte und abgelegte Polizeiakten abgeglichen. Ältere Linke und schwarze Militante haben mir ihre
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