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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser
Autoren: László Darvasi
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Hölle?, entsetzte sich das auf Hüte spezialisierte alte Fräulein, was ist, bitte sehr, wenn sie Antwort bekommen?!
    Ich fürchte, bald bricht die Zeit an, wo die Menschen auch die Beichte per Telefon erledigen!, brummte der Priester.
    Sie schwiegen ein wenig. Ob in der Hölle überhaupt jemand ans Telefon geht?
    Was war die schönste Beichte bei Ihnen, Hochwürden?, fragte die Matrone dann, und wie zufällig berührte sie seine Soutane. Der Pfarrer atmete pfeifend, man roch, dass er vor kurzem Pfefferminzblätter gekaut hatte. Die Frage überraschte ihn, und er wunderte sich, wie gern er antwortete.
    Einmal habe ich, liebe Terézia, den dummen Bengel Peter Schön angehört, Sie kennen ihn ja gut, diesen Abenteurer! Er erzählte etwas von der Frau seines Bruders, ehrlich gesagt habe ich nicht alles verstanden beziehungsweise verstehen wollen. Ab einer gewissen Grenze ist der Verstand der Diener der Sünde. Doch während der Beichte steckte er mir drei Gläser Rosenlikör durchs Gitter.
    Und was hat Peter Schön denn gebeichtet?
    Der Pfarrer spürte die Aufregung in ihrer Stimme, sie klang geradezu erstickt.
    Er bat mich, auf die Gesundheit der Heiligen Jungfrau zu trinken.
    Und das haben Sie getan, Hochwürden?, fragte Teréz Frei, die das Joch der Ehe nie kennengelernt hatte.
    Wenn unser gefallener Bruder beichtet, fängt man nicht an zu diskutieren, mein Kind, sagte der Pfarrer und zog langsam die Tür zu.
    In den letzten Tagen des Jahres setzte der aus Bosnien heimgekehrte Sohn des serbischen Lehrers Isidor Jankievics seinem Leben ein Ende. Die vom Unglück verfolgte Familie Jankievics!Seinen Vater hatten die Ungarn im Oktober 48 gelyncht, es ging das Gerücht, sie hätten ihm ruckzuck das Herz herausgeschnitten; die Familie war damals geflohen, doch seit einigen Jahren lebte Isidor wieder hier, denn es war auch sein Land. Er selbst war es, der den Sohn fand, nachdem er seit Tagen dessen Zimmer nicht hatte betreten dürfen. Das Gesicht des Burschen war gelb, neben dem Bett standen mehr als hundert Nägel aus dem Fußboden, das war also das verfluchte nächtliche Geklopfe gewesen. Den letzten Nagel hatte er sich ins Herz geschlagen, der Hammerstiel war ihm nicht entglitten.
    Nach Meinung des französischen Astronomen Camille Flammarion war der Mond ebenso bewohnt wie die Erde. Gut, aber lebten auf dem Mond auch Serben, Rumänen, Franzosen und Ungarn?! Und ob, sogar Juden! Hatte der Redakteur Ede Kigl, der des grausamen Mordes an Kriminalkommissar Bischof verdächtigt wurde, nach dem Verbrechen aber wie vom Erdboden verschluckt war, vor Jahren nicht eben darüber palavert? In der Tat, das hatte er, doch es gab keinen Grund zur Traurigkeit, wenn sich außer ihm niemand mehr daran erinnerte. Auf der Theiß schwoll ein weiterer gefährlicher Eisstau an, riesige Blöcke drückten sich gegeneinander. Ein deutscher Maler, ein gewisser Friedrich, hat solche Bilder vom Eismeer geschaffen, erklärte Vater Schäffer seinem Sohn. Das Haus der ungarndeutschen Familie stand in der Nachbarschaft des Fischmarktes, vom Balkon aus konnten sie auf den Fluss hinaussehen. Der Junge hatte sich vor kurzem beim Schlittschuhlaufen erkältet und wünschte den Anblick der malerischen Eisbrocken zum Teufel. Würde der Vater doch lieber von Wüstenkamelen erzählen!
    Der Wasserstand des Flusses steige sprunghaft, wurde am fünfzehnten Januar gemeldet. Eine freudige Entwicklung war hingegen, dass die Nazarener sich tüchtig vermehrten. Nach dem Gottesdienst der Evangelischen gab der Pastor im Gebetshaus einen Jahresbericht. Am fünfundzwanzigsten Januar wurde der Tanzabend des Bürgergesangvereins abgehalten. Die weniger tanzbegeisterten Gäste unterhielten sich angeregt darüber, was der persönliche Beauftragte des belgischen Ingenieurs Eduard Paget, der Herr Sekretär Salamon Mózes, bekanntgegeben hatte, nämlich dass die in der Stadt geplante Pferdetrambahn beim Tieflandbahnhof beginnen, die Schäferstraße, die Budaer Straße, den Széchenyiplatz, die Kárász-Straße und den Weizenmarkt queren und dann durch die Gottesmutterstraße beziehungsweise durch die Fabrikstraße den Personenbahnhof der Österreichischen Staatsbahnen erreichen werde.
    Was für ein imposanter Plan!
    Doch wer wird für die Kosten aufkommen?!
    Salamon Mózes hauchte seine Finger an und sah lächelnd seiner kleinen Tochter zu, die mit der linken Hand die Hausaufgabe schrieb.
    Am zweiten Februar wurde im israelitischen Gebetshaus ein Dieb ertappt, der Wicht
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