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Blindwütig: Roman

Titel: Blindwütig: Roman
Autoren: Dean Koontz , Bernhard Kleinschmidt
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Gemütszuständen. Einerseits war dieser Mann eine Missgeburt mit üblen Absichten, die Geschmack an Gewalt fand, und andererseits war er ein Außenseiter, ganz allein auf
der Welt, dessen negative Einzigartigkeit ihn gelegentlich unsicher und kleinmütig machte.
    »Die gehören hier nicht her, wir haben Ärger, wir haben Ärger …«
    Sichtlich beunruhigt, sagte Zazu: »Halt den Mund, oder ich bringe dich zum Schweigen!«
    Ihre Unruhe konnte bedeuten, dass sie ebenso überrascht war wie der Bucklige, was sie bisher zu kaschieren versucht hatte. Wenn wir sie jedoch tatsächlich überrascht hatten, dann hatte sie die Lage nicht so in der Hand, wie sie vorgab.
    »Sie sagen, dein Vater liegt angekettet im Hummer in der Garage«, teilte sie ihm mit.
    Penny und ich wechselten einen Blick. »Vater?«, sagten wir im Chor.
    »Sie sagen«, fuhr sie fort, »dass er am Leben ist. Womöglich ist das beides gelogen.« Sie sah uns an. »Ihr habt die Waffen. Deshalb muss ich fragen - darf er hinausgehen, um zu überprüfen, was ihr gesagt habt, bevor wir darüber sprechen, was ihr hier wollt?«
    Ohne den Schlüssel zu den vielen Vorhängeschlössern dauerte es selbst mit geeignetem Werkzeug bestimmt eine halbe Stunde, um Shearman Waxx zu befreien.
    »In zwei Minuten ist er wieder hier«, sagte ich, »oder ich muss Sie leider erschießen.«
    Die kurze Frist passte Zazu gar nicht, vielleicht weil sie den Buckligen für unzuverlässig hielt, aber offenbar war ihr klar, dass sie keine besseren Konditionen herausschlagen konnte.
    Der Blick, mit dem sie den Buckligen bedachte, ließ ihn zusammenzucken. Seine Schultern wurden noch schlaffer, und er ließ den Kopf hängen, so dass er unter seiner vorgewölbten Stirn ergeben zu ihr rüberschielte.
    »Wenn ich dir erlauben soll, das zu tun, was du so gerne
tust, dann bist du in zwei Minuten wieder hier!«, sagte sie barsch.
    »Ja, Zazu, das bin ich, das bin ich. Ich hab verstanden, Zazu. Tue ich nicht immer, was du sagst?«
    Damit hastete der Bucklige durch die Tür, durch die wir hereingekommen waren.
    Mit einem Mal fiel mir der merkwürdige Satz ein, den John Clitherow kurz vor seinem Tod am Telefon gesagt hatte: Und jetzt bin ich im Turm von Paris mit …
    Das bezog sich, wie mir nun klarwurde, natürlich auf Victor Hugos berühmten Roman Der Glöckner von Notre-Dame und dessen diverse Verfilmungen. Clitherow hatte versucht, mich verhüllt davor zu warnen, dass ein grässlich entstellter, buckliger Mann meinen Weg kreuzen würde, und den sollte ich dann weder bemitleiden noch zu nahe an mich herankommen lassen.
    Ich befahl Zazu, sich zwischen uns und die Tür zu stellen, durch die der Bucklige verschwunden war.
    Die grobknochigen, dickfingrigen Hände dieses Quasimodo waren so unbeholfen, dass er - wie bei dem Mord an Clitherow - wahrscheinlich immer lieber zu einem Messer als zu einer Pistole griff, aber Zazu als Deckung zu benutzen, das kam mir dennoch sehr sinnvoll vor.
    Diese kam ungerührt wieder auf ihre angeblichen Leistungen zurück: »Das Problem mit der Kultur ist, dass sie wie ein Pendel hin und her schwingt. Auf jede Theorie folgt bald eine Gegentheorie.«
    »Wenn man sich mit dem Problem der Zeitreise beschäftigt, ist es genauso«, kommentierte Milo.
    Zazu starrte ihn an, als wollte sie ihn mit Gift bespucken.
    Sie war jedoch zu begierig darauf, über sich selbst zu sprechen, um sich durch die Unterbrechung von ihrem Lieblingsthema
ablenken zu lassen. »Mein Lebenswerk besteht darin, das Pendel davon abzuhalten, je wieder in eine andere Richtung zu schwingen. Es soll dort bleiben, wo Jean-Jacques Rousseau, dieses Genie, es vor über zweihundert Jahren platziert hat.«
    »Mich hält man auch für eine Art Genie«, sagte Milo.
    »Du bist die falsche Sorte von Genie«, teilte Zazu ihm mit.
    »Vorsicht, Sie Miststrück!«, sagte Penny warnend.
    »Rousseau war ein Irrer«, sagte ich, »und gegen die Menschen in seiner persönlichen Umgebung hat er sich wie ein Ungeheuer verhalten.«
    »Ja«, sagte Zazu, »so denken Leute wie Sie . Shelley, Marx, Freud, Nietzsche, Tolstoi, Bertrand Russell, Sartre - privat waren das alles Ungeheuer, aber das ist völlig gleichgültig, wenn man in Betracht zieht, was sie der Welt geschenkt haben.«
    »Das waren alles Irre, in dem einen oder anderen Grade«, sagte ich. »Es waren Genies, durchaus, und manche waren auch großartige Künstler. Aber Irre waren es doch, und ihr Beitrag zur Welt waren … Irrationalität, Chaos, Ausreden für Massenmord,
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