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Blinde Goettin

Blinde Goettin

Titel: Blinde Goettin
Autoren: Anne Holt
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Polizeipräsidentin ließ sich im Sessel zurücksinken, und mit verkniffenem Mund weigerte sie sich, auch nur eine Frage zu beantworten, solange nicht Ruhe eingetreten sei. Sie sah älter aus denn je.
    »Ich kapier’ ja nicht, warum sie so angespannt aussieht«, sagte Hanne leise zu Håkon. »Sie sollte doch absolut zufrieden sein. Es ist verdammt lange her, daß irgend jemand hier im Haus sich mit so einem Triumph brüsten konnte.«
    Schließlich verschaffte sich der Kripochef Gehör. »Nachdem die verschiedenen Betroffenen sich erklärt haben, wird Gelegenheit sein, Fragen zu stellen. Aber erst dann. Ich bitte um Verständnis.« Ob das leise Gemurmel der Journalisten Zustimmung bedeuten sollte, war schwer zu sagen. Jedenfalls konnte die Polizeipräsidentin weiterreden.
    »Diese Aktivitäten scheinen schon seit einigen Jahren stattgefunden zu haben. Wir nehmen an, seit 1986. Es ist noch zu früh, um etwas Genaueres zu sagen.« Wieder hustete sie.
    »Dieses Husten kommt immer, wenn sie lügt oder Angst hat«, flüsterte Håkon. »Aufgrund der Aktentascheninfos bin ich auf vierzehn Kilo gekommen. Allein auf Laviks Konto!«
    »Ich auf fünfzehn«, kicherte Hanne.
    Wieder holte die Präsidentin tief Luft. »Was die besonderen Umstände des Verbrauchs der …« Jetzt wirkte ihr Husten fast wie eine Parodie. »… des Verbrauchs der hmmm … Einnahmen aus dem ungesetzlichen Vertrieb betrifft, das möchte ich dem Justizminister überlassen.«
    Sie atmete erleichtert auf, als sich aller Augen auf den jungen Minister richteten. Er schien auf einen Schlag vom Tod seiner Mutter, der Krankheit seines Vaters und seinem eigenen Konkurs gehört zu haben.
    »Vorerst, und ich betone, vorerst, sieht es so aus, als sei ein Teil dieser Mittel … dieser … Mittel, man kann sagen … regelwidrig für Zwecke des militärischen Nachrichtendienstes verwendet worden.«
    Plötzlich begriffen alle, warum auch der Verteidigungsminister anwesend war. Einige hatten ob dieser Tatsache die Stirn gerunzelt. Er saß ganz links in der Reihe der wichtigen Personen, ganz an der Tischkante, fast überflüssig. Niemand hatte Zeit gehabt, weiter darüber nachzudenken.
    Nun war es unmöglich, die Fragen zurückzuweisen. Wieder schlug der Kripochef auf den Tisch, aber das wirkte immer blödsinniger. Die Polizeipräsidentin riß sich zusammen. Mit einer Stimme, die man ihrer schmächtigen Gestalt nicht zugetraut hätte, übernahm sie die Leitung.
    »Eine Frage nach der anderen«, forderte sie. »Wir stehen für eine Stunde zur Verfügung. Es liegt bei euch, was ihr aus dieser Zeit macht.«
    Eine Viertelstunde später hatten die meisten das Bild so einigermaßen erfaßt. Die Bande oder Mafia, wie sie jetzt von allen genannt wurde, auch von den VIPs auf dem Podium, hatte auf der Basis eines ziemlich strengen Pyramidensystems operiert. Offenbar hatten alle nur ihre direkten Vorgesetzten kennen dürfen. Der Staatssekretär hatte also nur Olsen und Lavik fürchten müssen. Aber die beiden Unteroffiziere hatten sich schließlich zu sicher gefühlt, waren zu weit gegangen und hatten sich zu aktiv eingemischt. Es bestand Grund zu der Annahme, daß sie sich in großem Stil ihrer einzigartigen Möglichkeit bedient hatten, Rauschgift in die Gefängnisse einzuschmuggeln. Die effektivste Bezahlung der Welt. Und das beste Lockmittel.
    Fredrick Myhreng brachte die anderen dazu, für einen Moment die Klappe zu halten. »Kann hier die Rede von politischer Überwachung sein?« brüllte er von der dritten Bank. Die Leute auf dem Podium tauschten Blicke, und niemand sagte etwas. Dazu hatten sie auch keine Zeit, denn der hitzige Journalist fuhr fort: »Meine Informationen besagen, daß hier die Rede von fast dreißig Kilo harter Stoffe ist. Das bedeutet ein wahnwitziges Vermögen. Ist das alles an den Nachrichtendienst gegangen?«
    Der Junge war nicht dumm. Die Polizeipräsidentin aber auch nicht. Sie starrte den Journalisten kurz an.
    »Wir haben Grund zu der Annahme, daß bedeutende Summen von Kräften verwendet worden sind, die eine gewisse Überwachungsinstanz leiten, ja«, sagte sie langsam.
    Die geistesgegenwärtigen Kriminalreporter hatten bereits ihre Mobiltelefone gezückt und baten, die Stimme tief in der Jackentasche, ihre Redaktion, die politischen Kommentatoren zu verständigen. Inzwischen war der Fall auch für die interessant genug. Es konnte von gewaltiger politischer Bedeutung sein, wenn ein so hohes politisches Tier sich als Verbrecher erwies. Bisher hatten
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