Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinde Goettin

Blinde Goettin

Titel: Blinde Goettin
Autoren: Anne Holt
Vom Netzwerk:
mit sehr langen, schön gebogenen Wimpern. Seine Augenbrauen bildeten einen maskulinen Kontrast zu dem vielen Blond, sie waren schwarz und über dem Nasenrücken zusammengewachsen.
    »Wunderbar, daß ihr kommen konntet«, sagte er begeistert.
    »Es hat so viel in den Zeitungen gestanden, daß man gar nicht wußte, was man glauben sollte. Ich hätte gern genauere Informationen. Jetzt, wo alles überstanden ist, meine ich. Ziemlich unglaubliche Geschichte, und unangenehm für uns Gesetzeshüter. Ich soll diese Anwälte schließlich im Zaum halten, da ist es wenig komisch, wenn sie über den Zaun springen.«
    Eine Grimasse sollte vielleicht zu gemeinsamer Resignation über den Anwaltsstand einladen. Der Minister war selbst zwei Jahre bei der Polizei gewesen, dann war er in Rekordzeit mit nur achtundzwanzig Jahren zum Staatsanwalt ernannt worden. Hilfsbereit hob er Håkons eine Krücke auf, die beim Händeschütteln zu Boden gefallen war.
    »Eine tapfere Rettungstat, wenn ich das richtig verstanden habe«, sagte er freundlich. »Wie geht es dir jetzt?«
    Håkon beteuerte, es gehe ihm hervorragend. Noch ein wenig Schmerzen, aber es gehe gut.
    »Wir müssen hier rein«, sagte der Minister und führte sie ins Nachbarzimmer. Das hatte, anders als sein eigenes, keinen Blick auf das umliegende Viertel, in dem nach Kräften saniert wurde. Von diesem Raum aus blickte man auf den Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach des Wirtschaftsministeriums. Es war auch nicht größer, aber es war aufgeräumt. Auf dem Boden lagen zwei prachtvolle Perserteppiche, einer über vier Quadratmeter groß. Sie konnten unmöglich Staatseigentum sein. Auch die Bilder an den Wänden gehörten wohl kaum dem Staat. Dann hätten sie in der Nationalgalerie hängen müssen.
    Gleich nach ihnen betrat der Staatssekretär den Raum. Da dies sein Arbeitszimmer war, bot er ihnen Stühle und Mineralwasser an. Er war doppelt so alt wie sein Chef, aber ebenso jovial. Sein Staatssekretärsgehalt betrachtete er wahrscheinlich als eine Art Taschengeld; er war noch immer Seniorpartner in einer mittelgroßen und weit mehr als mittelerfolgreichen Anwaltskanzlei.
    Die Besprechung dauerte eine halbe Stunde, und zumeist führte Kaldbakken das Wort. Håkon nickte am Ende fast ein. Peinlich. Er schüttelte den Kopf und trank, um wach zu bleiben, einen großen Schluck Mineralwasser. Die rötlichen Teppiche mit den vielen Mustern gefielen ihm. Auf seiner Seite wiesen sie einen anderen Farbton auf als zur Tür hin, tiefer, wärmer. Die Bücherregale gehörten sicher dem Ministerium, sie waren dunkelbraun und aus simplem Furnier. Sie waren mit Fachliteratur gefüllt. Håkon lächelte, als er sah, daß der Staatssekretär Sinn für alte Jungenbücher hatte. Den hatten andere auch, das wußte er noch, obwohl die starken Medikamente seine Konzentrationsfähigkeit dämpften. Aber wer?
    »Sand?«
    Er fuhr zusammen und führte sein Bein als Entschuldigung an. Was hatten sie gefragt?
    »Hältst du den Fall jetzt für gelöst? Hat Lavik Hans A. Olsen umgebracht?«
    Hanne Wilhelmsen starrte ausdruckslos an ihm vorbei. Kaldbakken nickte energisch und sah ihm in die Augen.
    »Na ja, vielleicht. Vermutlich, Kaldbakken ist ja der Meinung. Es wird wohl stimmen.«
    Korrekte Antwort. Die anderen rafften ihre Sachen zusammen, die Besprechung hatte länger gedauert als geplant. Håkon kam mühsam auf die Beine und humpelte zum Bücherregal hinüber. Und dann fiel es ihm ein.
    Ihm wurde schwindlig, und er stützte sich zu sehr auf die eine Krücke. Sie rutschte auf dem glatten Boden weg, und der Staatssekretär, der ihm am nächsten stand, stürzte hilfreich herbei.
    »Vorsichtig, vorsichtig, mein Junge«, sagte er und streckte ihm eine Hand hin.
    Håkon nahm sie nicht, sondern starrte den Mann so lange bestürzt an, bis Hanne Wilhelmsen herüber kam und ihn energisch um die Brust packte. Er kam auf die Beine.
    »Es geht schon«, murmelte er und hoffte, die anderen würden seine Verwirrung seinem bösen Sturz zuschreiben.
    Nach weiteren anerkennenden Worten konnten sie endlich gehen. Kaldbakken war mit seinem eigenen Auto da.
    Als sie außer Hörweite waren, packte Håkon Hanne an der Jacke. »Hol die drei Codebögen. Und dann treffen wir uns so bald wie möglich in der Stadtbücherei.« In beeindruckendem Tempo humpelte er davon.
    »Ich kann dich hinfahren«, rief sie hinter ihm her, aber er schien sie nicht zu hören. Er hatte fast den halben Weg hinter sich.
     
    Es war arg abgegriffen, aber das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher