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Blau wie Schokolade

Blau wie Schokolade

Titel: Blau wie Schokolade
Autoren: Cathy Lamb
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um. Ich prügelte auf ihn ein, er kam zurück, es ging hin und her. Der Sandsack wurde mein roter Feind.
    »Jetzt mit den Ellenbogen«, rief Emmaline mit schriller Stimme. »Und wieder mit den Fäusten!« Ich schlug und schlug. Schweiß tropfte mir von der Stirn. Das dauerte hier alles entschieden zu lange. Wumm, wumm, wumm. Schweiß.
    »Und aufhören!«
    Keuchend sank ich zu Boden. Ich fragte mich, ob Emmaline nun wusste, ob sie mich mochte. Aber eigentlich war es mir egal. Ich hatte das Gesicht vom Schlappschwanz zu Brei geschlagen. Das war das Einzige, was mich interessierte.
    »Komm in die Mitte des Raumes, in die Mitte des Friedens.«
    Ich rappelte mich auf und folgte Emmaline pflichtschuldig, wie ein braver Hund.
    »Setz dich auf den lila Sack!« Ich war zu kaputt, um mich zu streiten, und nahm Platz.
    Emmaline hockte sich auf den schwarzen.
    »Wir wollen dein Herz vom schwarzen Schimmelpilz befreien«, sagte sie mit zusammengekniffenen Augen. »Der zerstört dich.«
    Schimmelpilz auf meinem Herzen. Eine herrliche Vorstellung. Ich brauchte ein Bier. Ich brauchte mehr als ein Bier. Nach dieser kleinen Sitzung ginge ich am besten in die Brauerei, legte mich auf den Rücken und ließ das Bier direkt aus dem Fass in meine Kehle rinnen.
    Emmaline fuhr mir mit dem Finger über die Stirn und prüfte meinen Schweiß. Aus Spaß tat ich es ihr nach. Durchsichtig. Ich war ein wenig überrascht. Irgendwie hatte ich erwartet, dass er schwarz wäre. Vielleicht ein wenig schimmelig.
    Emmaline studierte meinen Schweiß auf ihrem winzigen kleinen Finger, als verrate er, wie man die Wechseljahre abschaffen könne. Sie hielt ihn hoch in das durch die Fenster fallende Licht und dann ganz nah vor ihre Augen. Anschließend roch sie daran.
    »Das riecht bestimmt lecker«, sagte ich.
    »Nein, ganz und gar nicht«, erwiderte sie mit vorwurfsvoller Stimme. »Der Schweiß riecht nach Angst.«
    »Angst?«
    »Ja, nach Angst. Aber so richtig! Gut, fangen wir mal damit an. Wovor hast du Angst?« Sie wischte meinen Schweiß am Hosenbein ab und konzentrierte ihren scharfen, lasergleichen Blick auf mich.
    »Ich habe vor gar nichts Angst«, antwortete ich. Ich richtete mich in meinem Sitzsack auf, froh, dass mein Schweiß langsam trocknete. Ich bin überzeugt, dass Schweiß alle Bakterien aus dem Körper schwemmt – die ekligen Keime, die durch unsere Adern wandern (Rosvita wäre stolz auf meine bakteriellen Vergleiche), obwohl ich beim Schlagen auf den Sandsack besser keine Seidenbluse getragen hätte.
    Nein, ich kannte keine Angst, zumindest nicht im engeren Sinn. Ich hatte keine Angst, weil mir inzwischen alles egal war. Schnurzpiepegal. Ich war am Ende.
    »Doch, hast du wohl.« Emmaline schlug auf ihren Sitzsack. »Angst durchzieht dein Leben. Sie steckt hinter all deinen Problemen. Sie steckt hinter deiner Wut. Und hinter deiner Schlaffheit.«
    Bei dem Wort musste ich an den kleinen Schwanz vom Schlappschwanz denken. Offensichtlich hatte er genug Schwung im Schwanz, um ihn für seine Freundinnen hochzukriegen – und zusätzlich noch für mich. Hatte mir der Arzt erzählt. Ich hatte darauf bestanden, dass ich auf jede Geschlechtskrankheit unter der Sonne getestet wurde. Alle Ergebnisse waren negativ, ich war gesund. Eine gute Nachricht, doch sie minderte nicht mein Bedürfnis, dem Schlappschwanz spitze Nadeln in den Hintern zu treiben.
    »Du wirst wieder wütend«, sagte Emmaline und breitete die Arme aus. »Ich nehme dir deine Wut ab.«
    Ich entschloss mich, die Therapeutin jetzt ebenfalls zu duzen.
    »Dann musst du die Arme weiter ausbreiten, Emmaline. Ich habe eine Menge mehr Wut zu bieten als das hier«, sagte ich und bemerkte meinen bitteren, gehässigen Tonfall. »Vielleicht gebe ich dir das klein bisschen Wut, das ich empfand, als ich merkte, dass mein Beruf völlig überflüssig ist.« Wieder dieses Wort: überflüssig. Auch ich selbst war überflüssig.
    »Schick sie mir«, befahl Emmaline und wedelte mit den Armen.
    »Oder vielleicht möchtest du lieber die Wut, als ich merkte, dass ich nur mit Losern zusammen war. Mal sehen … Da war zum Beispiel Devon, der unablässig über sich selbst sprach und für sein Glück eigentlich nur ein Brett mit aufgemalten Augen und aufblasbaren Titten brauchte. Oder Carl, der Sex wollte, sonst nichts. Als ich versuchte, mit ihm über etwas anderes zu sprechen, zog er sich ein Kissen über den Kopf – aber aus irgendeinem Grund fühlte ich mich gezwungen, diese Beziehung ein halbes Jahr lang
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