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Blamage!

Blamage!

Titel: Blamage!
Autoren: Christian Saehrendt
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sich.
    â€¢ Sie drängen sich nicht in den Vordergrund – dafür leider in den Hintergrund.
    â€¢ Sie unterdrücken niemanden – nur leider sich selbst. 85
    Der Fluch der Kontaktangst
    Weit gravierender als Schüchternheit ist die Soziale Phobie (auch Soziale Angststörung genannt) – ein Leiden, das schon zur Zeit der Antike von Hippokrates beschrieben wurde, und in dessen Zentrum die wahnhafte Angst steht, vor anderen als lächerlich zu gelten, bzw. mit lächerlichen körperlichen Angstreaktionen aufzufallen. Diese Menschen fürchten sich beispielsweise, mit Fremden, Angehörigen des anderen Geschlechts oder mit Autoritätspersonen zu sprechen, sie haben Angst, in der Öffentlichkeit zu essen, ihre Hände zu benutzen, angesehen oder angesprochen zu werden, sie fürchten sich vor unkontrollierbaren Reaktionen ihres Körpers, die sie der Lächerlichkeit preisgeben würden. Tatsächlich ist es aber erst die Angst, die die mitunter auffälligen körperlichen Symptome verursacht, wie etwa Zittern, Schwitzen oder Atemnot. Die Störungen können über einen langen Zeitraum anhalten oder wiederkehren. Zudem erkranken viele Betroffene noch zusätzlich an einer Depression oder werden abhängig von Alkohol, Beruhigungsmitteln oder anderen Drogen bzw. Medikamenten, welche die erwähnten Symptome überdecken oder verdrängen sollen.
    Es gibt eng definierte Sozialphobien wie die Furcht vor öffentlichem Sprechen und Essen, sie sind aber eher selten. Am häufigsten ist die allgemeine Sozialphobie, die alltägliche soziale Aktivitäten betrifft, z. B. an Partys oder Familienfesten teilzunehmen, anderen zu schreiben, neue Kontakte zu knüpfen oder eine Unterhaltung mit Vorgesetzten, Kollegen oder Nachbarn zu führen. Einige Betroffene versuchen, die gefürchteten Situationen und Plätze so gut wie möglich zu meiden, andere ziehen sich völlig zurück – mit gravierenden Auswirkungen auf ihre berufliche Zukunft, Freundschaften und mögliche Partnerschaften. Es folgen häufig Schulabbruch, Einsamkeit, Partnerlosigkeit, Arbeitslosigkeit. Oft üben Betroffene Tätigkeiten aus, die sie fachlich unterfordern, weil sie so unauffällig bleiben können. Zu den wichtigsten Risikofaktoren für diese Erkrankung zählen die sogenannte Verhaltenshemmung (eine genetische Veranlagung zu Angst und Rückzug in ungewohnten Situationen); eine Übertragung innerhalb der Familie durch Modelllernen; ein übermäßig behütender Erziehungsstil bei gleichzeitiger mangelnder emotionaler Zuwendung; und schließlich auch traumatische Erlebnisse der Demütigung und Lächerlichkeit.
    Soziale Phobien sind keineswegs seltene oder exotische Erscheinungen, die Häufigkeit der Erkrankung liegt bei etwa vier Prozent, bezogen auf die Gesamtbevölkerung. Einige Untersuchungen ergaben, je nach diagnostischen Kriterien, Untersuchungsmethoden und untersuchten Altersgruppen, beachtliche Prävalenzraten (diese Raten sagen aus, wie viele Menschen einer bestimmten, zahlenmäßig klar definierten Gruppe erkrankt sind) von bis zu 12 Prozent, eine neue Studie der Technischen Universität Dresden sogar einen Wert von 14 Prozent 86 , wobei Frauen offenbar eine etwas höhere Lebenszeitprävalenz aufweisen als Männer. Es gibt auch Anzeichen dafür, dass sich die Krankheit in den letzten beiden Jahrzehnten ausgebreitet hat. 87 Sozialphobiker leiden unter einer exzessiven Selbstaufmerksamkeit, unter einer verzerrten Vorstellung des sichtbaren Selbst, und zwar in einem Ausmaß, das die Aufnahme realistischer Informationen nahezu gänzlich verhindert. Welchen Eindruck sie auf andere zu machen glauben, ermitteln sie ganz aus internen Empfindungen. Damit befinden sie sich in einem hermetischen System, in dem sie die »Beweise« für ihre Befürchtungen selbst produzieren und alle Informationen von außen in einer negativen Weise interpretieren. Daher betonen sie stets die negativen Reaktionen der Umwelt, deuten neutrale oder ambivalente Zeichen stets als Zurückweisung. Zu den festen Überzeugungen der Phobiker gehört etwa die Vorstellung, man sähe ihnen ihre Unsicherheit und Angst überdeutlich an. Manche von ihnen müssen sich zwanghaft in eine Beobachterposition hineinversetzen, aus der sie sich selbst gnadenlos betrachten – wer Angst vor dem Erröten hat, sieht sich selbst mit feuerrotem,
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