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Blamage!

Blamage!

Titel: Blamage!
Autoren: Christian Saehrendt
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oder jener Fauxpas unterlaufen ist, obwohl man sich doch so darauf konzentriert hat, genau diesen Fehler (diesmal) nicht zu begehen! Wie kommt es, dass hundertfach geübte Routinegriffe danebengehen, dass wir in manchen Situationen unser Wissen nicht abrufen können, dass uns trotz jahrzehntelanger Berufserfahrung ein anfängerhafter Lapsus unterläuft? Die amerikanische Psychologin Sian Beilock glaubt, dass die verstärkte Selbstbeobachtung, die in Stresssituationen auftritt, die Ursache dafür ist. 8 Selbstsicheres Auftreten, quasi im Schlaf beherrschte Fähigkeiten und Handlungsabläufe, werden in solchen Fällen in ängstlich kontrollierte Einzelschritte aufgeteilt, der Autopilot ist abgeschaltet, unsere Bewegungen wirken fahrig, abgehackt, ungeschickt. So erklärt sich, dass Fußballprofis, die in ihrem Training schon Hunderte von Strafstößen geschossen haben, ausgerechnet im Elfmeterschießen des Finales den Ball in die Wolken dreschen. Und dies passiert umso häufiger, je berühmter der Schütze ist. Auch abgebrühte Prominente und Berufspolitiker sind vor peinlichen Fehlleistungen nicht sicher: Der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich-Genscher erinnerte sich an einen Fauxpas, der ihm in den 1980er-Jahren unterlaufen war. Er sollte im Wiener Hilton einen Vortrag über Europa-Politik halten und studierte im Flugzeug sorgfältig das Redemanuskript. Beim Satz »Wir sind die Vorhut der Europäischen Einigung« stockte er: »Während ich das las, sagte ich mir, hier an dieser Stelle musst du aufpassen!« Im Hilton saßen 600 Gäste, ein erlesenes Publikum, und Genscher unterlief genau der Versprecher, den er unbedingt vermeiden wollte, und der die BRD durch einen ungehörigen Diphthong prompt zur »Vorhaut der Europäischen Einigung« machte: »Nach einer Schrecksekunde redete ich weiter, allerdings mit belegter Stimme. Sonst war es eine überzeugende Rede. Übrigens – das Publikum war so fein, dass mich hinterher keiner darauf angesprochen hat.« 9 So Genscher in Sabine Gräfin von Nayhauß’ Geschichtensammlung War das peinlich! Prominente erzählen , die dem Autor als wahre Fundgrube diente. Über ein ähnliches Erlebnis berichtete der US -Bestsellerautor Scott Turow, der einmal die Ehre hatte, Harrison Ford zum Mittagessen ins eigene Haus einladen zu dürfen. Dabei wollte er möglichst weltmännisch-cool wirken: »Ich wollte mir meine Aufregung und Bewunderung bloß nicht anmerken lassen. Ich bat ihn herein, nahm ihm den Mantel ab, und dann passierte etwas Schreckliches. Ich sagte zu ihm allen Ernstes: ›Darf ich Ihnen meine Frau Harrison vorstellen?‹ Was für ein Blödsinn! Mit einem Mal brach meine coole Fassade zusammen. In dem Moment wurde mir schmerzhaft bewusst, dass ich einfach nicht der lässige Typ bin. Ich bin nun mal nicht Harrison Ford – und meine Frau schon gar nicht.« 10
    Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, hat sich für dieses Phänomen bereits vor gut 100 Jahren interessiert, für die Frage, wie das Unterbewusstsein unser rationales Handeln sabotiert und damit peinliche Situationen herbeiführt, so beispielsweise in seiner Schrift Zur Psychopathologie des Alltagslebens , in der er Fehlleistungen wie das Vergessen, das Verlegen oder Zerbrechen von Gegenständen als Ausdruck eines verdrängten »Gegenwillens« interpretierte. Im Gegenwillen regten sich laut Freud »peinliche Kontrastvorstellungen«, Versagensängste, die wir normalerweise unterdrücken, die aber in Situationen der Überforderung oder Übermüdung ans Licht kommen. Unter Umständen sind es sogar unterdrückte Wünsche und Emotionen, die sich dann manifestieren, eine Art Selbstsabotage, jene sogenannten Freud’schen Versprecher, die für Heiterkeit im Publikum sorgen können, weil sie die Assoziationen des Redners freilegen oder unfreiwillig die verdeckte Wahrheit aussprechen, wie etwa im folgenden bekannten Kalauer: Eine brave Sekretärin will weisungsgemäß einem anrufenden Geschäftspartner mitteilen, ihr Chef sei geschäftlich unterwegs, sagt aber stattdessen: »Herr Dr. Mödling ist zurzeit leider nicht zu sprechen, er ist geschlechtlich unterwegs.« Unbewusste Prozesse dieser Art wurden in den letzten Jahren bereits in einer Reihe von Experimenten untersucht, wobei die Testpersonen bestimmte Aufgaben zu lösen
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