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Black Box

Black Box

Titel: Black Box
Autoren: Joe Hill
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nämlich das Gefühl, dass sie dieselben Aufnahmen mehr als einmal gesehen hatten. Sie schauten sich das an, als … als wären sie in Trance.«
    Wieder herrschte einen Moment lang Stille. Noonan war das anscheinend eher unangenehm. Recherche, dachte Carroll – und er meinte es ein Stück weit anerkennend.
    »Finden Sie nicht auch, dass es sich um ein erstaunliches Stück amerikanischer Literatur handelt?«, fragte Noonan.
    »Durchaus. Wirklich.«
    »Ich weiß nicht, was er davon hält, in Ihren Sammelband aufgenommen zu werden, ich jedenfalls bin hocherfreut. Ich hoffe, sie gruseln sich jetzt nicht allzu sehr vor ihm.«
    Carroll musste lächeln. »Mich gruselt nicht so schnell.«
     
    Martin Boyd von der Meldebehörde wusste auch nicht so genau, wo Kilrue steckte. »Er hat mir erzählt, dass er einen Bruder hat, der beim städtischen Tiefbau in Poughkeepsie arbeitet. Entweder in Poughkeepsie oder in Newburgh. Dort wollte er sich auch bewerben. Die zahlen gut, und das Beste daran ist – wenn man erst mal drin ist, können sie einen nicht mehr feuern, selbst wenn man Amok läuft.«
    Dass Poughkeepsie erwähnt wurde, erregte Carrolls Interesse. Ende dieses Monats würde dort eine kleine Fantasy-Convention stattfinden – Dark Wonder Con oder Dark Dreaming Con oder etwas in der Art. Dark Masturbati Con. Er war eingeladen worden, hatte den Briefen jedoch keine weitere Beachtung geschenkt. Auf die kleinen Cons hatte er keine Lust mehr, und außerdem war der Zeitpunkt unpassend, er lag direkt vor seinem Abgabetermin.
    Immerhin ging er jedes Jahr zur Verleihung der World Fantasy Awards, auf den Camp NeCon und zu einigen anderen Treffen. Die Conventions gehörten zu den Aspekten seines Jobs, die er noch nicht völlig verabscheute. Er traf dort Freunde. Außerdem hing er noch immer an »dem Plunder« und den Erinnerungen, die davon ausgelöst wurden.
    Wie einmal, als er auf einen Buchhändler gestoßen war, der ihm eine Erstausgabe von »I Love Galesburg in the Springtime« anbot. An dieses Buch hatte er schon jahrelang nicht mehr gedacht, geschweige denn es in den Händen gehalten. Aber als er so dastand und die brüchigen bräunlichen Seiten umblätterte, die so wundervoll nach Staub und Dachboden rochen, überkam ihn eine schwindelerregende Flut von Erinnerungen. Er hatte dieses Buch mit dreizehn gelesen, und es hatte ihn zwei Wochen lang in seinen Bann geschlagen. Aus dem Fenster seines Zimmers war er auf das Dach geklettert, weil er nur dort seinen Eltern entfliehen konnte, die sich unentwegt stritten. Die Dachschindeln fühlten sich an wie Schmirgelpapier, daran konnte er sich noch gut erinnern, und wenn die Sonne auf sie herabbrannte, roch es nach Gummi. Irgendwo ratterte ein Rasenmäher. Und er kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, während er über Jack Finneys geheimnisvollen Woodrow-Wilson-Dime las.
    Carroll rief beim Tiefbauamt von Poughkeepsie an und wurde mit der Personalabteilung verbunden.
    »Kilrue? Arnold Kilrue? Der wurde vor sechs Monaten rausgeworfen«, sagte ein Mann mit dünner, pfeifender Stimme. »Wissen Sie, wie schwierig es ist, einen Job bei der Stadt zu verlieren? Er war seit Jahren der Erste, den ich entlassen habe. Hat mir nichts von seinem Vorstrafenregister erzählt.«
    »Nein, nicht Arnold Kilrue. Peter. Vielleicht ist Arnold sein Bruder. War er übergewichtig, mit vielen Tätowierungen?«
    »Kein Stück. Dünn. Drahtig. Mit nur einer Hand. Die Linke ist ihm in eine Heupresse geraten, hat er gesagt.«
    »Oh.« Irgendwie klang das für Carroll trotzdem nach einem von Peter Kilrues Verwandten. »In was für Schwierigkeiten steckte er denn?«
    »Er hat sich nicht an ein richterliches Verbot gehalten.«
    »Eheprobleme?« Für Männer, die unter den Anwälten ihrer Frauen zu leiden hatten, hatte Carroll Verständnis.
    »Teufel, nein«, erwiderte der Personalchef. »Seine eigene Mutter. Wie schmeckt Ihnen das?«
    »Wissen Sie, ob er mit Peter Kilrue verwandt ist und wie ich ihn erreichen kann?«
    »Ich bin nicht sein Privatsekretär, Mann. Haben wir jetzt genug geredet?«
    Sie hatten genug geredet.
     
    Er versuchte es bei der Auskunft und rief bei allen möglichen Leuten namens Kilrue an, die es in der Umgebung von Poughkeepsie gab, aber niemand wollte einen Peter kennen, und schließlich gab er es auf. Wutentbrannt räumte er sein Arbeitszimmer auf, stopfte Papierstapel in den Mülleimer, ohne sie noch einmal anzuschauen, schnappte sich hier einen Stapel Bücher, um ihn dort wieder
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