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Bitterzart

Bitterzart

Titel: Bitterzart
Autoren: Gabrielle Zevin
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gesagt, dass Sie eine Sechzehnjährige zu Boden schleudern sollen!«, rief Win.
    »Los, komm!«, sagte Simon Green. »Wir gehen besser, bevor es noch schlimmer wird.«
    »Ich liebe dich, Anya!«, rief Win.
    Ich wollte antworten, doch da hatten sie Wins Tür schon zugeschlagen. Während mich Simon Green zum Aufzug schleppte, murmelte er: »Mr. Kipling bringt mich um, weil ich dich hergebracht habe.« 
    Er setzte mich zu Hause ab. Nachdem meine Rückkehr von einem Polizeibeamten registriert worden war, der all meine Tätigkeiten überwachen und mich vor dem Rest meiner Familie beschützen sollte, wollte ich direkt in mein Zimmer. Im Flur wurde ich von Imogen aufgehalten.
    »Was ist denn mit deinem Knie passiert?«, rief sie entsetzt. Es war draußen so warm gewesen, dass ich keine Strumpfhose unter meinem Schulrock trug.
    »Nichts«, sagte ich. In Wahrheit jedoch begann meine Kniescheibe zu pochen. Verglichen mit Wins Verletzungen kamen mir meine Schmerzen albern vor.
    »Sieht aber nicht wie nichts aus, Annie.« Imogen begleitete mich in mein Zimmer. »Leg dich hin!«, befahl sie, und ich hatte eh nichts anderes vor. Ich hatte mich ausgeweint – sehr viel weinte ich eh nie –, jetzt wäre ich am liebsten in Winterschlaf versunken wie ein Bär. Der Vorteil von Hausarrest, der Isolierung von jedem und allem, war, dass ich mitten am Tag schlafen konnte, ohne dass es jemanden störte.
    Imogen kehrte mit dem allgegenwärtigen gefrorenen Beutel Erbsen zurück. »Hier!«
    »Schon gut, Imogen. Ich will einfach nur schlafen.«
    »Du wirst es mir später danken«, sagte sie.
    Ich warf mich auf den Rücken. Sie betastete meine Kniescheibe. Ein hässlicher blauer Fleck, aber es war nichts gebrochen, und Imogen versicherte mir, dass ich es überleben würde. Dann legte sie die Erbsen darauf.
    »Warum eigentlich immer Erbsen?«, wollte ich wissen und dachte an die vielen Gelegenheiten, wenn ich eine Tüte Erbsen auf Leos Kopf gelegt hatte, oder an die Nacht, als wir im Little Egypt waren und ich Win die Tüte gegeben hatte. War das dieselbe wie diese hier? Ich wusste es nicht genau. »Haben wir denn nie Möhren oder Mais im Tiefkühler?«
    Imogen schüttelte den Kopf. »Der Mais ist immer als Erstes weg. Und Möhren isst keiner von euch, deshalb werden sie auch nicht gekauft.«
    »Klingt logisch«, sagte ich. Dann erklärte ich ihr, dass ich schlafen wollte, und sie ließ mich allein.

    Spät am Abend (Natty war bereits im Bett) wurde ich von einem Klopfen an meiner Zimmertür geweckt. Es war Imogen. »Du hast Besuch«, sagte sie. »Der Vater deines Freundes. Möchtest du lieber hier oder im Wohnzimmer mit ihm sprechen?«
    »Im Wohnzimmer«, sagte ich. Mein Knie war schrecklich angeschwollen, aber ich wollte nicht in einer waagerechten, also schwachen Position mit Charles Delacroix sprechen. Ich schleppte mich aus dem Bett, glättete meine Schulkleidung, fuhr mir mit den Fingern durchs Haar und humpelte ins Wohnzimmer.
    »Das tut mir leid«, sagte Mr. Delacroix und wies auf mein Knie, das nach zehn Stunden blauschwarz und geschwollen war und sehr eindrucksvoll wirkte. Er saß in dem bordauxroten Sessel, und ich konnte nicht umhin zu denken, wie oft ich seinen Sohn in ebendiesem Möbel gesehen hatte.
    »Auch die späte Uhrzeit tut mir leid. Meine Arbeit zwingt mich, außergewöhnlich lange im Büro zu bleiben, und außerdem wollte ich nicht, ähm, dass mein Besuch bei dir Anlass zum Fotosschießen gibt.«
    Ich nickte. »Vielleicht wollten Sie auch nicht in Anwesenheit meines Anwalts mit mir reden«, mutmaßte ich.
    »Ja, da hast du recht, Anya. Ich wollte ein Gespräch unter vier Augen führen. Die Lage, in der wir uns befinden, ist sowohl persönlich als auch geschäftlich. Dadurch ist diese Sache ungewöhnlich komplex für mich.«
    »Bei Ihnen ist das Geschäftliche immer persönlich«, bemerkte ich.
    Charles Delacroix lachte. »Ja, sicher. Du gefällst mir wirklich!«
    Ich sah ihn fragend an.
    »Ach, da brauchst du dich nicht wundern. Du bist unheimlich einnehmend, nur eben nicht für meinen Sohn geeignet.«
    Zumindest war er ehrlich.
    »Gut, ich bin also hier, um dir mal die Lage der Dinge zu schildern, wenn ich darf. Wir haben die Projektile untersucht, mit denen du auf deinen Cousin geschossen hast. Sie stammen aus derselben Waffe, mit der dein Bruder auf Yuri Balanchine schoss. Und, was können wir daraus folgern, Anya?«
    Ich wollte ihm nicht helfen. »Sagen Sie’s mir doch!«
    »Kluges Mädchen«, entgegnete Mr.
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