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Bitteres Rot

Bitteres Rot

Titel: Bitteres Rot
Autoren: Bruno Morchio
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ihrer blauen Spangenschuhe unaufhörlich gegeneinander, als wollte sie sie abstreifen und dem Mann zurückgeben, der sie ihr geschenkt hatte. Die flackernden Augen Hessens ruhten auf ihren langen schwarzen Haaren, die ihr in Wellen über den Rücken flossen.
    Die gespannte Stille war kaum auszuhalten. Tilde hatte ihn bei ihrer Ankunft sehr kühl begrüßt und direkten Blickkontakt vermieden. Das Leuchten in ihren Augen war ihm gleichwohl nicht entgangen. Aber es war nicht der kämpferische Blick, den sie ihm zuwarf, wenn sie ihn als Feigling beschimpfte. Und noch weniger die ungezügelte Wildheit, mit der sie ihn provozierte und erregte, bis er sich nicht mehr beherrschen konnte. In ihrem Blick lagen abgrundtiefer Hass und Verachtung, in einer Intensität, die man mit Worten nicht beschreiben konnte. Selbst die Flucht in die Einsamkeit würde das in ihr lodernde Feuer nicht löschen und Hessen wusste genau, warum.
    Man hatte den Hauptmann informiert, dass Maestri in der Gewalt der Partisanen war und dass man Dolores exekutiert hatte. Im grellen Sonnenlicht, das durch das geöffnete Fenster ins Zimmer flutete, hatte er das Gefühl, als könnte man durch ihn hindurchsehen.
    Tilde hatte die Lippen fest zusammengepresst. Dann brach sie das eisige Schweigen. Ihre Worte schienen tief |247| aus ihrem Inneren emporzusteigen. »Sag mir nur eines: warum?«
    Er wusste, dass er jetzt Farbe bekennen musste. »Kannst du dir das nicht selbst erklären?«
    »Vielleicht. Aber ich will es aus deinem Mund hören.«
    »Wenn ich dir damals die Wahrheit gesagt hätte, wären wir am nächsten Tag beide erschossen worden. Maestri hatte Major Engel von unserem Verhältnis berichtet. Ein gefundenes Fressen für die SS, wenn ich in die Falle getappt wäre.«
    Tilde fuhr herum, die Fäuste geballt, den Kopf angriffslustig nach vorne geschoben. »Warum hast du nicht gesagt, du kennst ihren Namen nicht?«
    Sie fixierte ihn wie ein waidwundes Tier, entschlossen, bis zum Ende zu kämpfen. Sie tat es nicht für sich, ihre Gedanken waren bei Iolanda. Ihr Bauch krampfte sich zusammen. Würde sie jemals wieder Frieden finden? Es gab keine andere Lösung: Hessen musste sterben. Vielleicht könnte sein Tod die Schmerzen lindern, die das Leben zu vernichten drohten, das in ihr heranwuchs.
    Hessen blieb bei seiner Linie, er versuchte zu lächeln und steckte sich eine Zigarette an. »Hättest du mir geglaubt,
Fräulein?«
    »Nein.«
    »Also?« Er sah sich suchend um. Wo war das verdammte Feuerzeug? Seine zur Schau gestellte Souveränität war in Tildes Augen pure Arroganz, die Arroganz der Macht.
    »Also was?«
    »Wäre es dir lieber gewesen, wenn dieses Schwein dich in das Studentenwohnheim geschleppt, vergewaltigt und gefoltert hätte, damit du deine Kameraden verrätst, einen nach dem anderen, bevor man dich umbringt?«
    »Du wirst es mir vielleicht nicht glauben, aber genau so ist es,
Herr Hauptmann

    |248| »Hier und jetzt lässt sich das leicht sagen, Tilde.«
    Sie ging auf ihn zu, während er noch immer das Feuerzeug suchte, die Zigarette lässig zwischen den Lippen. Sein provokantes Lächeln trieb sie zur Weißglut.
    »Im Gegenteil, du Feigling. Jetzt ist alles viel schwieriger. Warum hast du mir das nicht gesagt? Glaubst du, ich hätte dich nicht verstanden?«
    »Natürlich hättest du das. Aber deine Regeln in diesem Spiel waren andere. Du wolltest unbedingt einen Namen, koste es, was es wolle.« Die Ironie in seinem Lächeln kannte sie, so grinste er, wenn er betrunken war.
    Angeekelt verzog sie den Mund: »Ich werde nicht das Kind eines Mörders großziehen.«
    »Ist es für diese Entscheidung nicht schon zu spät?«
    »Das glaube ich nicht.« Sie fasste sich an den Bauch. »Ich bringe diesen Bastard zur Welt, dann wird sich deine Greta um ihn kümmern. Was ihr mit mir macht, ist mir egal. Deportiert mich ruhig nach Deutschland, so wie ihr es meiner Familie weismachen wollt.«
    »Du weißt doch nicht, was du sagst.« Er schüttelte den Kopf.
    »Was sage ich denn?« Sie brach in höhnisches Gelächter aus, Abbild ihrer düsteren Gedanken. »Ich habe immer das gesagt, was du mir eingeredet hast, und damit habe ich einen unschuldigen Menschen zum Tode verurteilt.«
    »Jetzt ist aber Schluss!« Die Zigarette fiel ihm aus dem Mund, aber das war ihm egal. Er stand auf, ging auf Tilde zu und wollte sie packen. Sie wich zurück.
    »Fass mich nicht an!«, schrie sie.
    Als er ihre dumpfe Verzweiflung erkannte, änderte er den Ton. »Es tut mir leid
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