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Bitteres Geheimnis

Bitteres Geheimnis

Titel: Bitteres Geheimnis
Autoren: Barbara Wood
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die beiden Jungen das Gebäude verließen, gingen sie in die Toilette, wo der Zigarettenqualm in dicken Schwaden hing. Sie knallten ihre Bücher auf die schulterhohe gekachelte Mauer neben der Tür und gingen direkt zu den Waschbecken. Beide zogen Kämme heraus, ließen Wasser darüber laufen und kämmten dann ihr Haar.
    Mike warf Rick einen Blick zu. »Na, hat's geklappt gestern abend?«
    »Nee. Sherrys Mutter hat sie nicht weggehen lassen, und außer dem mußte ich lernen. Und wie war's bei dir? Was gelaufen?«
    Mike grinste vielsagend. »Wir haben eine prima Stelle am Mulholland Drive entdeckt.« Er klopfte das Wasser von seinem Kamm und steckte ihn ein. »Alles bestens.«
    Rick pfiff halb neidisch, halb bewundernd durch die Zähne.
    »Das ist bestimmt die Grippe«, sagte Lucille und lenkte den Wagen in die Einfahrt zum Haus. »Ein Glück, daß Freitag ist.«
    »Ja, aber morgen ist Cheerleader-Probe.«
    »Konntest du wenigstens dein Mittagessen runterbringen?«
    »Ein bißchen was, ja, aber hinterher war mir wieder schlecht. Das kommt und geht. Aber am schlimmsten ist diese fürchterliche Müdigkeit. Ich fühl mich immer total erschöpft, weißt du.«
    Lucille nickte. Sie hielt den Wagen vor der Haustür an, schaltete den Motor aus und blieb noch einen Moment sitzen. »Viel leicht sollte ich doch mal mit dir zum Arzt gehen. Schade, daß Dr. Chandler nicht mehr praktiziert. Aber wir werden schon jemanden finden. Komm, gehen wir rein, dann ruf ich Shirley an. Viel leicht kann sie uns einen Arzt empfehlen.«
    Dr. Jonas Wades Praxis befand sich in einem modernen Glaskasten an der Ecke Reseda Avenue und Ventura Boulevard. Das Warte zimmer war freundlich, ohne aufdringlich zu sein, ganz in gedämpften Blau- und Grüntönen gehalten, mit einem dicken Teppich, vielen Grünpflanzen und einem großen Aquarium voll exotischer Fische. Lucille war sofort beeindruckt. Nicht nur Shirley Thomas, sondern auch noch zwei andere Freundinnen hatten ihr den Arzt empfohlen, und sie hatte noch am Tag ihres Anrufs einen Termin für Mary bekommen, da kurz zuvor ein anderer Patient abgesagt hatte. Es war fünf Uhr.
    Die Wartezeit kam Mary wie eine Ewigkeit vor. Sie hoffte inbrünstig, Dr. Wade würde ein steinalter Mann sein, eine rasche, unpersönliche Untersuchung vornehmen und sie dann mit einer Schachtel Tabletten nach Hause schicken.
    Als die Sprechstundenhilfe ihren Namen rief, wischte sie sich die feuchten Hände an ihrem Rock ab und folgte der Frau ins Sprechzimmer. Lucille blieb mit einer Zeitschrift im Wartezimmer sitzen.
    Der alte Dr. Chandler hatte seine Praxis in einem kleinen Haus gehabt, wo sich in den dreiunddreißig Jahren seiner Tätigkeit als Arzt nichts verändert hatte, wo nichts modernisiert worden war. Eine andere Arztpraxis hatte Mary nie kennengelernt. Als sie jetzt in den kühlen, weißen Raum mit den abstrakten Gemälden an den Wänden geführt wurde, fühlte sie sich fremd und befangen. Und als die Sprechstundenhilfe sie aufforderte, sich auszuziehen, wurde ihr beklommen zumute.
    Nachdem sie in den Papierkittel geschlüpft war, setzte sie sich auf den Untersuchungstisch und wartete nervös. Zu ihrer Überraschung kam nicht der Arzt herein, sondern wieder die Sprechstundenhilfe, die ihr den Arm abband und ihr eine Ampulle voll Blut abnahm. Dann drückte sie ihr einen Plastikbecher in die Hand und schickte sie mit der Anweisung, ihren Urin in dem Becher aufzufangen, in die kleine Toilette neben dem Sprechzimmer.
    Nachdem Mary das erledigt hatte, hockte sie sich wieder auf den Untersuchungstisch, und als endlich Dr. Wade hereinkam, fiel ihr das Herz vollends in die Hose.
    Er war viel zu jung, höchstens Anfang Vierzig. Sehr groß und schlank in dem langen weißen Kittel. Das Haar war schwarz mit einigen grauen Sprenkeln. Sein Lächeln war so routiniert, dachte Mary, als hätte er es vor dem Spiegel einstudiert Die schwarzen Augen waren lebhaft und scharf, als könnten sie durch den Papierkittel hindurchsehen.
    »Hallo«, sagte er und blickte auf die Karte in seinen Händen. »Was ist dir lieber, Mary oder Mary Ann?«
    »Mary«, antwortete sie mit kleiner Stimme.
    »Okay, Mary, ich bin Dr. Wade. Also -« er faltete die Karte aus einander - »deine Mutter schreibt hier auf dem Formular, das sie für uns ausgefüllt hat, du hättest die Grippe.« Sein Lächeln wurde breiter. »Wollen wir mal schauen, ob ihre Diagnose richtig ist?«
    Mary nickte.
    Er legte die Karte weg und ging zum Waschbecken, um sich die Hände zu
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