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Bittere Pille

Bittere Pille

Titel: Bittere Pille
Autoren: Andreas Schmidt
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das T-Shirt wieder
herunter. Das Mädchen mit den langen schwarzen Haaren hatte
sich lasziv am Ufer des Beyenburger Stausees geräkelt. Am
Nachmittag war sie mit ihrem Freund hergekommen, um einige
Landschaftsbilder zu schießen. Ein großer bergischer
Verlag hatte einen Fotowettbewerb ausgeschrieben, in dem es darum
ging, die Schönheiten des Bergischen Landes abzulichten. Die
besten Einsendungen wurden in einem Kalender veröffentlicht,
der im kommenden Jahr in großer Auflage erscheinen sollte.
Eine Herausforderung für den Jungen, der von einer Karriere
als Profifotograf träumte. Sein ganzer Stolz war die
sündhaft teure digitale Spiegelreflexkamera, die er letztes
Jahr von seinen Eltern zu Weihnachten bekommen hatte.
Natürlich wusste er, dass seine Eltern sich die Kamera vom
Mund abgespart hatten. Die Miete für die Wohnung unweit des
Langerfelder Marktes war überschaubar. Sie fuhren ein altes
Auto und träumten schon lange von einem Urlaub. Wie
Jonas’ Vater immer so gern sagte, war am Ende des Geldes
immer noch so viel Monat übrig.
    Sie hatten sich mit
einem bescheidenen Leben arrangiert, denn die kleine Familie war
glücklich. Jonas, ihr einziger Sohn, war der ganze Stolz der
Eltern. Als Familie hielten sie zusammen - ein Gefühl, das
Jonas seinen Kindern später auch einmal vermitteln wollte.
Doch er fühlte sich noch lange nicht reif genug dafür,
Vater zu werden. Jetzt stand erst einmal die Ausbildung, die er in
einem großen Fotofachgeschäft am Wall in Elberfeld
absolvierte, im Vordergrund. Dort hatte er auch seine erste feste
Freundin, Lisa, kennengelernt. Sie war ein Jahr jünger als er,
besuchte die Gesamtschule Barmen und bereitete sich langsam, aber
sicher auf das Abitur vor. Lisa begleitete ihn sooft es ging zu
seinen Fotosafaris, wie sie es scherzhaft nannte, und teilte das
Hobby mit ihm. So war sie auch an diesem Samstagnachmittag mit ihm
zum See gekommen, als er ihr von seiner Idee berichtet hatte, den
Stausee als Motiv für seine Fotos zu verwenden. Sie hatten
sich an einer Tankstelle ein paar Dosen Bier
besorgt und waren mit seinem Mofa zum Parkplatz am See gefahren. Am
südlichsten Zipfel des Stausees herrschte nur noch wenig
Betrieb, und inzwischen lag der Parkplatz verlassen da. Weiter
hinten, am Bootshaus, feierten junge Leute. Vermutlich
gehörten sie zu einem der sieben Wassersportvereine, die sich
den Beyenburger See teilten.
    Die Stimmung bei dem
jungen Paar war ausgesprochen gut gewesen, und so hatte Lisa
irgendwann am Ufer des Sees posiert und sich verführerisch vor
der Linse ihres Freundes geräkelt. »Dann lass uns
schnell zu dir fahren«, schlug sie jetzt vor. »Deine
Eltern…«
    »Sind nicht da,
stimmt.« Er nickte und machte sich daran, die Ausrüstung
in seinem Rucksack zu verstauen. »Ich bin so gespannt auf die
Fotos.«
    »Auf welche? Die
vom See oder die von mir?« Lisa zwinkerte ihm
zu. 
    »Auf beide
natürlich.« Jonas grinste vielsagend.
    Eilig verstauten sie
die mitgebrachten Dinge in ihren Rucksäcken und marschierten
zurück zu dem kleinen Parkplatz im Wald, der am Westufer des
Sees lag. Hier stand sein kleines, rotes Mofa. Eigentlich hatte er
schon zu viel Bier getrunken, um noch fahren zu dürfen, doch
eine Schwäche wollte er sich nicht eingestehen. Außerdem
fuhr der Bus nach Oberbarmen subjektiv nur zweimal am Tag. Und auf
stundenlanges Warten an der Bushaltestelle hatte er nun wirklich
keine Lust. Es würde schon gutgehen. Betrunken fühlte er
sich wirklich nicht, und die drei Dosen Bier, die er getrunken
hatte, verkraftete er ganz gut.
    Nachdem sie
aufgestiegen waren und der kleine Zweitaktmotor unter ihm zum Leben
erwacht war, schmiegte sich Lisa eng an ihn. Jonas lenkte den
kleinen Roller über die Brücke, unter der Eisenbahnlinie
hindurch, zur Beyenburger Straße. Prima, auch hier herrschte
so gut wie kein Verkehr. Einen Moment lang überlegte der
Junge, ob er über den Radweg fahren sollte, entschied
sich schließlich aber dagegen,
weil er die Polizei nicht unnötig auf sich aufmerksam machen
wollte. Nein, er nahm die Straße.
    *
    Zu Hause angekommen,
schlossen sie die Kamera sofort an seinen Computer an. Lisa machte
sich an der kleinen Stereoanlage zu schaffen. Jonas verschwand kurz
in der Küche, um noch zwei Flaschen Bier aus dem
Kühlschrank zu holen. Sein Vater hatte nichts dagegen, solange
er es nicht übertrieb. Und Jonas hielt sich an die
Spielregeln.
    In seinem Zimmer hatte
Lisa es sich auf der Schlafcouch bequem gemacht. Sie hockte
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