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Bittere Mandeln

Bittere Mandeln

Titel: Bittere Mandeln
Autoren: Sujata
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Wohnzimmer, die alle auf leeren Magen Alkohol tranken – »wirst du mich bitten, das Erbrochene wegzuputzen? Bloß, weil ich der einzige Arzt bin?«
    »Keiner wird das von dir verlangen«, herrschte seine Mutter ihn an. »Das mußt du doch im St. Luke’s auch nicht machen, oder? Die unangenehmen Aufgaben erledigen immer die Schwestern, die Frauen natürlich.«
    Kam da so etwas wie feministisches Bewußtsein zum Vorschein? Ich sah meine Tante überrascht an. Die Spannung lockerte sich ein wenig durch das Eintreffen der sashimi. Da ich Takeo nirgends entdecken konnte, dirigierte ich den Mann vom Catering Service in die Küche, und Norie und ich schoben die Sachen rasch von den Plastikbehältern auf die antiken Holztabletts der Kayamas.
    Dann bat Norie Tom, das Essen nach draußen zu tragen und ein Auge darauf zu haben.
    »Wovor soll ich die Sachen beschützen? Davor, daß sie von den Gästen gegessen werden?« brummte Tom.
    »Nein, vor möglichen Giftanschlägen«, erwiderte seine Mutter.
    Tom hob fragend die Augenbrauen, tat aber, was sie ihm sagte.
    Wo steckte bloß Takeo? Das fragte ich mich, während ich einen Disput zwischen Onkel Hiroshi und dem Lieferanten mitbekam, der unbedingt Geld wollte. Schließlich reichte Onkel Hiroshi ihm seine Kreditkarte und sagte, er würde für die Zahlung der Rechnung bürgen, falls die Kayamas sie nicht bis zum folgenden Morgen beglichen.
    »Das war sehr großzügig von dir«, sagte ich zu meinem Onkel.
    »Nun, ich habe immer noch ein bißchen Geld«, sagte er steif. Ich hatte die Sache mit seiner Kündigung fast vergessen, aber jetzt wurde ich wieder daran erinnert.
    Als die Gäste sich in Richtung sashimi in Bewegung setzten, hörte ich eine Frau darüber klagen, daß das Essen nicht mit Blumen dekoriert sei. Tante Norie und ich hatten schnell arbeiten müssen und dieses wichtige Detail völlig übersehen.
    Ich hatte andere Prioritäten und ging nach oben, um Takeo zu suchen. Vielleicht hatte er sich in sein Zimmer zurückgezogen wie ein Teenager, der den Freunden seiner Eltern aus dem Weg gehen wollte. Aber das paßte nicht zu einem Menschen, der ruhig genug geblieben war, um Essen für zweihundert Leute zu bestellen.
    Die Tür zu dem Zimmer, das er mir zuvor gezeigt hatte, war verschlossen, und so klopfte ich leise, weil ich vermeiden wollte, daß Natsumi nebenan meine Rückkehr ohne Kimono bemerkte. Ich traute ihr ohne weiteres zu, daß sie mir den Kimono einfach vom Leib riß und mich mit ihrer viel zu engen Jeans sitzen ließ.
    Da ich nichts hörte, öffnete ich die Tür zu Takeos Zimmer einen Spalt breit. Es war leer. Ich schloß die Tür wieder und sah mir die sechs anderen an. Eine von ihnen stand ein wenig offen, also lugte ich hinein.
    Hier also war Natsumi. Sie lag ausgestreckt auf einem Himmelbett mit nichts als einem purpurfarbenen Spitzenbüstenhalter und einem passenden Slip an, ein Set, um das ich sie beneidet hätte, wäre die Situation nicht so schrecklich gewesen.
    Dieser kleine Anflug von Neid half mir, die Angst zu besiegen, die in mir aufstieg. Natsumi war nicht tot. Ich eilte zu ihr und stellte mit großer Erleichterung fest, daß sich ihre winzigen Brüste unter dem Spitzen-BH gleichmäßig hoben und senkten. Ich packte sie an ihrer warmen, weichen Schulter und schüttelte, doch sie schlief tief und fest. Nach einem Blick auf die Jeans am Boden wußte ich, was passiert war. Sie hatte sich ausgezogen, weil ich ihr ja einen Kimono geben sollte, und dann das Bewußtsein verloren.
    Eigentlich hätte ich mich nicht darüber freuen sollen, daß Natsumi somit aus dem Rennen war, aber wenigstens würde sie Norie und mich jetzt nicht mehr bedrängen, für sie in die kura zu gehen. Manchmal konnte man sich auch über kleine Dinge freuen. Ich verließ den Raum und schloß die Tür fest hinter mir, damit niemand Natsumi störte. Ein paar Sekunden zuvor hatte ich gehört, wie sich draußen auf dem Flur eine Tür öffnete und dann wieder schloß.
    Ich hatte nicht den Eindruck, daß es sich dabei um die Tür zu einem der Schlafzimmer handelte, sondern eher um die zur Toilette. Durch das winzige Milchglasfenster in der oberen Ecke der Toilette sah ich, daß sich jemand darin aufhielt. Vielleicht war Natsumi ja nicht das einzige Opfer von zu viel Alkohol auf nüchternen Magen. Der Gesellschaftsreporter würde jedenfalls jede Menge Stoff haben. Ich schlüpfte in Takeos Zimmer und ließ die Tür einen Spalt offen, um sofort zu sehen, wer herauskam.
    In Takeos Zimmer war
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