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Bitter Lemon - Thriller

Titel: Bitter Lemon - Thriller
Autoren: C. Bertelsmann
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und Schärfe in die Stimme zu legen:
    »Meine Damen und Herren, Zoran Jerkov konnte sich allerdings nie an das Warten gewöhnen. Denn dieser Mann hat zwölf Jahre seines Lebens unschuldig hinter Gittern verbracht. Für einen Mord, den er nachweislich nicht begangen hat, verurteilte man ihn zu lebenslanger Haft. Zwölf Jahre lang hat er auf den Moment gewartet, auf dieser Seite des stählernen Tores zu stehen, in Freiheit, und der Sonne einen guten Tag zu wünschen.«
    War das jetzt zu dick aufgetragen? Sie ließ den Blick schweifen. Die Meute klebte an ihren Lippen. Deine Show, Kristina. Die Meute verlangte nach Futter. Wirf es ihnen vor die Füße. In die hungrigen Mäuler. Jetzt!
    »Bedauerlicherweise habe ich diesen Mann erst vor einem Jahr kennengelernt. Ich bin kein professioneller Ermittler mit all den technischen und rechtlichen Möglichkeiten des Staates im Rücken. Ich bin nur eine Journalistin, eine Amateurin auf dem Feld der Kriminalistik. Eine einzelne Amateurin benötigte nicht länger als ein paar Monate, um zu beweisen, dass Zoran Jerkov unmöglich der Mörder der tschechischen Prostituierten gewesen sein kann, die man am frühen Morgen des 17. Januar 1998 tot in ihrer Wohnung in Köln-Bayenthal fand.«
    Eine winzige Atempause, nur ein Hauch, damit alle kapierten, dass es nun ernst wurde, zum Mitschreiben, zum Mitschneiden, zum Drucken, zum Senden:
    »Ein unglaublicher Skandal. Ich fragte mich … und ich frage nun Sie: Wie nur kann es in einem modernen Rechtsstaat zu einer solchen Panne kommen?«
    Pause. Atme und zähle bis drei, Kristina. Und weiter.
    »Ganz einfach. Sie benötigen lediglich die richtigen Darsteller für eine solche Farce: einen selbstverliebten, selbstgerechten Strafkammervorsitzenden, zwei opportunistische Beisitzer, die bereit sind, auf jegliches Nachdenken zu verzichten, um sich ihre weitere Karriere im Justizapparat nicht zu vermasseln, ferner zwei ahnungslose Schöffen, ferner einen zum geregelten Feierabend neigenden Beamten auf dem Posten des Staatsanwalts, und außerdem einen … ja bitte?«
    Kristina deutete auf einen der Journalisten im Pulk, den sie nicht kannte, der aber schon geraume Zeit mit seinem Kugelschreiber in der Luft herumfuchtelte, um auf sich aufmerksam zu machen. Der Kerl hatte sie aus dem Konzept gebracht. Kristina erlaubte ihm mit einem knappen Nicken, seine Frage zu stellen.
    »Herr Jerkov, wenn Ihr Fall doch so eindeutig liegt, wie wir gerade von Ihrer … Sprecherin hörten, dann frage ich mich nur: Warum gab es denn kein ordentliches Wiederaufnahmeverfahren und keinen nachträglichen Freispruch erster Klasse, sondern lediglich eine vorzeitige Entlassung auf dem Gnadenweg durch den Bundespräsidenten?«
    »Erstens stünde Zoran Jerkov jetzt nicht als freier Mann vor Ihnen, sondern würde noch immer auf die Eröffnung eines neuen Verfahrens warten. Zweitens: Der Fall Jerkov liegt juristisch etwas komplizierter, als wir das hier in wenigen Worten …«
    »So? Was war denn so kompliziert? Herr Jerkov, können Sie nicht selbst auf meine Fragen antworten?«
    Kristina sah Zoran tief in die Augen, um ihm ohne Worte zu signalisieren: Lass mich das besser machen! Zoran warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr an seinem Handgelenk. Er lächelte zufrieden und zog Kristina an sich, nahm die Frau, die ihn um einen halben Kopf überragte, vor den Kameras in die Arme und flüsterte ihr zärtlich ins Ohr: »Ich werde dich sehr vermissen, Kristina. Danke für alles. Pass gut auf dich auf. Und bitte: Pass noch eine Weile auf meinen Seesack auf, ja?«
    Dann wandte sich Zoran der Meute zu:
    »Was wollen Sie denn noch wissen, Sie Grünschnabel? Oder wollen Sie mich jetzt hier nur ein bisschen provozieren? Sie wollen mich ein bisschen ärgern, stimmt’s? Aber Sie können mich gar nicht ärgern. Und darüber sollten Sie sehr froh sein. Und für alle, die es noch nicht kapiert haben: Ich habe Marie nicht umgebracht. Ich habe Marie geliebt. Aber ich habe da drinnen, im Knast, einen Mann getötet, keine zwei Wochen, nachdem sie mich eingebuchtet hatten, vor zwölf Jahren. Ein Häftling. Ich habe ihm das Genick gebrochen. Kein Mord, sondern Totschlag. Fünfzehn Jahre kostet so etwas. Die sind noch nicht ganz verbüßt. Deshalb nur der Gnadenerlass. Alles klar soweit?«
    Eine junge Frau, Mitte zwanzig vielleicht, erholte sich als Erste:
    »Und warum haben Sie diesen Mann umgebracht?«
    »Warum?« Mit dieser Frage hatte Zoran Jerkov offenbar nicht gerechnet. Er schüttelte den
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