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Bitter im Abgang

Bitter im Abgang

Titel: Bitter im Abgang
Autoren: Aldo Cazzullo
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gemurmelten: «Also bis bald, Sylvie.»
    Schon stand der Assistent vor ihr. Das Geld in dem Umschlag war mehr als ausreichend, um den verletzten Stolz einer Privatdetektivin zu kompensieren.

17

Alba,
Donnerstag, 19. April 1945, 3.40 Uhr
    Moresco kannte Alberto gut genug, um zu wissen, dass er niemals reden würde. Es ging auch ohne ihn. Wenn Alberto sich darauf versteifte, mit der ganzen Sache nichts zu tun haben zu wollen, umso besser. Dann konnte er die Hälfte, die der Bischof den Partisanen angeboten hatte, komplett für sich behalten. Aber auch Alberto kannte Moresco. Deshalb brachte er das einzige Argument ins Spiel, das jetzt vielleicht noch ziehen könnte.
    «Domenico, hast du eigentlich mal an Virginia gedacht? Was würde Virginia tun, wenn sie jetzt hier wäre? Was würde sie sagen?»
    «Lass die Frauen aus dem Spiel. Unsere Frauen werden es erfahren, wenn alles vorbei ist, je später, desto besser; sie werden die Früchte genießen. Und was Virginia betrifft, sie ist nicht da. Und sie wird auch nicht wiederkommen, nie mehr. Geht das endlich in deinen Schädel?»
    «Nein, Domenico. Du hast doch gesagt, dass Virginia weiterlebt, in uns. Dass sie immer bei uns sein wird, für den Rest des Krieges, für den Rest unseres Lebens. Dass sie unser Handeln leiten, unseren Armen Kraft verleihen wird …»
    «Das habe ich gesagt, um dich zu trösten. Was hat denn Virginia damit zu tun?»
    «Du hast sie auch geliebt. Denkst du, das hätte ich nicht gewusst? Glaubst du, sie wäre einverstanden mit dem, was du hier tust? Oder willst du nicht darüber reden, weil du dich schuldig fühlst? Hast du wirklich alles Mögliche getan, um sie zu retten?»
    Dann schwieg Alberto, erschrocken über die eigene Kühnheit. Auch Moresco schwieg.
    «Wart ihr schon mal in dem Keller unter der Kirche? Blöde Frage, zwei Gottlose wie ihr.» Inzwischen behandelte der Priester sie wie Komplizen.
    «Folgt mir. Ich werde euch herrliche Dinge zeigen.»

18

Neive,
Mittwoch, 20. November 1963
    «Wie findest du ihn? Ist der nicht toll?» «
    Na ja, ein typischer Barbaresco, so, wie du ihn immer machst. Nichts Besonderes.»
    «Ich rede nicht vom Wein. Sondern vom Namen, dem Design, dem Etikett.»
    Auf dem Etikett stand: Lulús Barbaresco. Dahinter sah man die Umrisse eines Hügels und davor einen Mann mit geschultertem Gewehr.
    «Das ist eine Hommage. Erinnerst du dich an Lulù?»
    «Natürlich erinnere ich mich an ihn.»
    «Die Deutschen hatten seinen Vater, seine Mutter und seinen Bruder umgebracht. Und er hatte geschworen, dafür dreihundert von ihnen umzubringen. Die Deutschen rechneten zehn für einen, stimmt’s? Doch er behauptete, einer der seinen sei so viel wert wie hundert Deutsche.»
    «Glaubst du, er hat wirklich dreihundert geschafft?»
    «Ich weiß nicht. Als ich ihn das letzte Mal sah, in Dogliani, war er bei zweihundertzweiundsechzig. Aber wer weiß, wie er die gezählt hat.»
    «Ich habe meine Deutschen und meine Faschisten alle gezählt. Und ich gehe sie immer wieder durch, jeden Abend, vor dem Einschlafen.»
    Moresco sah ihn ein wenig erschrocken an.
    «Manchmal frage ich mich, was aus dir geworden ist.»
    «Frag dich lieber, was aus dir geworden ist. Sieh dich doch um, und dann gib mir eine Antwort.»
    Morescos Hof war ein altes rotes Backsteingebäude mit drei großen Eichen auf dem Vorplatz. Vor ein paar Jahren hatte er einen neuen Flügel anbauen lassen, in dem die Techniker an den Weinen arbeiteten. Außerdem hatte er gegenüber am Fuß des Hügels einen großen Weinkeller ausschachten lassen. In der Stadt erzählte man sich, dort unten liege ein Vermögen im Wert einer Bank, vielleicht nicht bloß in Flaschen. Moresco taxierte den Mann, von dem er sich inzwischen in jeder Hinsicht unterschied, dem er sich jedoch trotz allem weiterhin verbunden fühlte. «Sag du’s mir, Alberto, mit deinen Worten, was aus mir geworden ist.»
    «Ein Mann mit viel Geld und vielen Schatten. Du versuchst, deine Vergangenheit zum Schweigen zu bringen. Du sagst zwar, du bist Kommunist …»
    «Das bin ich auch. Das bin ich immer gewesen, und das werde ich immer bleiben. Daran wird sich auch nichts ändern, bloß weil ich durch meine Arbeit reich geworden bin.»
    «Nicht allein durch deine Arbeit. Und jetzt, jetzt schreckst du nicht einmal mehr davor zurück, deinen Barbaresco für Reiche nach einem Partisanen zu benennen.»
    «Lulù war viel mehr als ein Partisan. Er war eine Legende. Franzose, mit piemontesischen Wurzeln. Weißt du noch,
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