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Bis zur letzten Luge

Bis zur letzten Luge

Titel: Bis zur letzten Luge
Autoren: Richards Emilie
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nicht, dass das passiert. Und nachdem es trotzdem so gekommen ist, bist du zu nichts verpflichtet. Ich komme gut allein zurecht.“
    „Da bin ich mir sicher. Du bist extrem belastbar.“
    Erneut stand sie auf, schwieg jedoch.
    Er stieß sich vom Geländer ab. „Unter diesen Umständen kannst du bestimmt einige Minuten für mich erübrigen, denke ich. Oder was meinst du?“
    „Wozu?“
    „Das habe ich dir doch gesagt. Ich möchte dir gerne etwas zeigen.“
    Noch immer hatte sie die Schultern gestrafft, doch sie wirkte mit einem Mal nicht mehr ganz so selbstsicher. „Bist du hierhergekommen, weil du dich freikaufen willst?“
    Er runzelte die Stirn. „Was?“
    „Ich will dein Geld nicht, Phillip. Ich will es nicht für mich, und ich will es auch nicht für mein Kind. Ich kümmere mich selbst um meine Angelegenheiten. Ich brauche deine Hilfe nicht, und ich will nicht, dass du dich einmischst.“
    „Ach nein?“ Er ging auf sie zu und versperrte ihr den Weg zur Haustür. „In was genau soll ich mich nicht einmischen? Erlaubst du mir nicht, meinem eigenen Kind ein Vater zu sein?“
    „Glaubst du denn, dass es besser ist, irgendeinen Vater zu haben als keinen?“
    Wut stieg in ihm auf. „Ich bin nicht irgendein Vater. Wofür hältst du mich? Für irgendeinen völlig unbedeutenden Kerl, der seine Pflichten nicht erfüllt?“
    „Nein!“ Sie verschränkte die Arme. „Du würdest sie auf jeden Fall erfüllen, wenn ich dich ließe. Aber du würdest es nicht gern tun. Denkst du, das Baby würde das nicht bemerken? Ich bin genauso aufgewachsen. Meine Mutter war so erschöpft und so arm, dass jedes weitere Kind nur eine noch größere Last bedeutete. Sie gab uns zu essen, so gut sie daskonnte. Sie sorgte dafür, dass wir einen Platz zum Schlafen hatten. Aber niemals hat sie eines von uns Kindern mit Liebe angesehen! Die meisten von uns haben ihre Kindheit nicht ohne Schaden überstanden. Und ich erlaube nicht, dass mein Baby so etwas durchmachen muss. Das lasse ich nicht zu!“
    „Belinda …“ Er holte tief Luft. Ihm war klar gewesen, wie stolz sie war. Doch er hatte nicht gewusst, wie viel Trauer sie in sich trug. „Komm mit mir, meine Süße. Lass mich dir etwas zeigen, mehr nicht. Danach kannst du entscheiden. Ich werde dich nicht bedrängen. Aber vorher musst du mit mir kommen.“
    „Ich muss überhaupt nichts tun!“
    „Doch. Das hier musst du tun.“ Er stellte sich direkt vor sie. Belinda ließ sich für gewöhnlich von nichts und niemandem einschüchtern, aber jetzt schien sie in sich zusammenzusinken. Das lag nicht an seinen Worten oder seiner Nähe. Er vermutete, dass es vielmehr damit zu tun hatte, dass sie in seiner Gegenwart offen ihre Gefühle gezeigt hatte.
    „Anschließend lässt du mich in Ruhe?“
    „Ganz bestimmt werde ich dich und das Baby niemals im Stich lassen. Egal, was du tust oder sagst. Aber zusammen finden wir schon eine Lösung, damit meine Gegenwart für dich weniger schmerzhaft ist – falls es das ist, was du willst.“
    Sie überlegte. Zunächst befürchtete er, sie könnte erneut ablehnen. Schließlich nickte sie. „Was willst du mir denn zeigen?“
    „Komm mit. Es ist nur eine kurze Fahrt. Ich habe da vorne geparkt.“
    Sie legten die Strecke schweigend zurück. Da sie zu ihrem Fenster hinausschaute, konnte er nicht einmal ihr Profil sehen. Während der Fahrt strafte er sich im Stillen wieder und wieder für all die Fehler, die er gemacht hatte – und er fragte sich, ob er jetzt noch einen weiteren beging, indem er sie hierherbrachte.
    Er parkte vor ihrem alten Zuhause. „Lass uns einen Spaziergang machen.“
    „Wozu?“
    „Weil wir angekommen sind und weil wir deshalb hier sind.“ Damit stieg er aus und ging um den Wagen herum, um ihr die Tür zu öffnen. Er streckte ihr die Hand entgegen, um ihr aus dem Auto zu helfen. Zögernd ergriff sie sie. Doch sobald sie stand, ließ sie ihn los.
    „Bist du nach deinem Umzug mal wieder hierhergekommen?“, erkundigte er sich.
    „Nein.“
    Er nahm ihren Arm und führte sie zum Fußweg hinüber. „Es hat mir gefehlt, hier zusammen mit dir zu wohnen.“
    Sie gab keine Antwort.
    „Manchmal wache ich morgens auf und kann vor meinem Fenster die Spottdrosseln singen hören. Dann drehe ich mich um, und meine Hände suchen dich. Aber du bist woanders.“
    „Sprich nicht so.“
    „Ich will dir bloß erzählen, was ich denke.“
    „Wohin gehen wir?“
    Er hatte wahrscheinlich Millionen Dinge falsch gemacht in seinem Leben. Und er
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