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Bis einer stirbt

Bis einer stirbt

Titel: Bis einer stirbt
Autoren: Olaf Buettner
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schreien. Nils war starr vor Schreck. Ohne dass ich mich dagegen wehren konnte, schossen mir Tränen in die Augen.
    Â»Reicht das, du Oberarschloch?«, fragte Fred. »Oder soll ich noch mal? Vielleicht in den anderen Arm?«
    Ohne ein weiteres Wort zog Nils den Kopf ein. Ich spürte, wie Blut aus meiner Wunde sickerte. Der Schmerz pochte. Ich war mir sicher, jeden Augenblick in Ohnmacht zu fallen, kämpfte aber mit aller Macht dagegen an.
    Â»So, und jetzt du!«, bellte Fred.
    Er schubste mich in Richtung Loch, ohne die geringste Rücksicht auf meine Verletzung zu nehmen. Endlich in den Keller zu kommen, war mir gar nicht so unlieb. Ich musste wissen, ob Pit wirklich da unten war oder nicht. Alles Weitere würde sich danach ergeben.
    Â»Schade«, sagte Fred, als ich unten ankam. »Mit uns beiden hätte es auch ganz anders laufen können.«
    Am liebsten hätte ich ihm auf seine verstaubten Stiefel gespuckt, konnte mich aber gerade noch beherrschen. Ohne ein weiteres Wort zog er mit viel Mühe die Platte zu. Nils und Nina versuchten sie wieder nach oben zu drücken, aber aus dieser Position heraus schafften sie es nur ein paar Millimeter, wenn überhaupt. Mit Sicherheit stand Fred oben drauf.
    Ich suchte als Erstes in Nils’ Jacke nach der Taschenlampe. Ich fand sie sofort und knipste sie an.
    Dann hörten wir, wie von oben ein Stein nach dem anderen zurück auf die Platte gewälzt wurde. Resigniert stellten die beiden ihre kläglichen Ausbruchsversuche ein.
    Â»Entschuldigung«, sagte Nils zerknirscht.
    In diesem Moment wusste ich tatsächlich nicht, was er meinte.
    Â»Na, wegen dem Arm. Das wollte ich nicht.«
    Â»Kann ich mir denken«, sagte ich leise, ohne ihn anzusehen. »Vergiss es.«
    Ich drehte mich ab und begann den Raum mit der Taschenlampe auszuleuchten. Er war nicht groß, aber doch großer, als ich gedacht hatte. Soweit ich auf den ersten Blick erkennen konnte, war er völlig leer. Allerdings hatten die Batterien der Lampe ihren Geist so gut wie aufgegeben und der Lichtkegel reichte nicht bis in die hinteren Ecken. Behutsam tastete ich mich vor. Immer wieder sagte ich Pits Namen. Nils kam hinter mir her. Ich sah es nicht, aber ich hörte es.
    Â»Da hinten liegt irgendwas«, sagte er.
    Mein Herz begann wie wild zu rasen. Tatsächlich lag hinter einem kleinen Mauervorsprung in der hinteren rechten Ecke etwas. Auf den zweiten Blick erkannte ich einen menschlichen Körper, leblos, zusammengerollt wie eine schlafende Katze, um sich vor der Kälte zu schützen. Er hatte uns den Rücken zugekehrt, trotzdem sah ich sofort, dass es Pit war. Irgendetwas Weißes war um sein Bein gebunden. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man bei diesen Temperaturen schlafen konnte.
    Â»Pit!«, rief ich. »Was ist mit dir? Pit?«
    Ich fasste ihn an der Schulter und bewegte ihn vorsichtig. Er rührte sich nicht. Ich rüttelte ihn etwas. Nichts. Vielleicht war er erfroren. In wilder Panik schrie ich seinen Namen und fing an zu heulen wie noch nie.
    Â»Du musst aufpassen«, mahnte Nils geistesgegenwärtig. »Das Blut hier ist sicher von ihm.« Er hatte sich neben mich gehockt und untersuchte im Funzellicht der Taschenlampe behutsam Pits Bein, vor allem die Stelle mit dem weißen Verband.
    Â»Ein T-Shirt«, sagte er. »Scheinbar sein eigenes. Er hat eine Verletzung am Knie. Sieht aber nicht so schlimm aus.«
    Dann sah ich, dass Pit sich bewegte. Er kam zu sich. Mir schossen Geschichten durch den Kopf, in denen Tote wieder auferstanden waren. Langsam drehte er sich in unsere Richtung. »Klara?« Seine Stimme war belegt, er räusperte sich ein paarmal. »Was machst du denn hier?«
    Hatte er wirklich nur geschlafen? Wie erschöpft musste jemand sein, der so tief schlief? Vielleicht war es aber auch das Chloroform, das so lange nachwirkte? Ich hatte keine Ahnung, aber letztlich war das alles egal: Er lebte!
    Â»Pit!«, stieß ich erleichtert hervor. »Alles okay bei dir?«
    Â»Glaub schon«, meinte er. »Das Bein tut weh. Da hab ich mir so einen blöden Nagel reingerammt. Und irrsinnigen Durst hab ich.«
    Bis dahin hatte ich fast vergessen, dass ich selbst auch verletzt war. Jetzt erst spürte ich den Schmerz wieder. Ich zog meine Jacke aus, Nils half mir dabei. Wir stellten fest, dass die Wunde nicht wirklich tief war, also hoffentlich auch nicht gefährlich. Ich hatte auch nicht so stark
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