Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis dass der Tod uns scheidet

Bis dass der Tod uns scheidet

Titel: Bis dass der Tod uns scheidet
Autoren: Walter Mosley
Vom Netzwerk:
verbarrikadieren und jede Kamera im Haus kaputtmachen.«
    Sie kicherte und erklärte: »Sie sind ein Narr.«
    Ich nickte.
    »Jetzt ernsthaft«, sagte sie in die unsichtbare Stille.
    »Das meine ich so, Mädchen. Außerdem bin ich mir sicher, dass du meine Meinung dazu gar nicht brauchst. Also, was ist los?«
    »Eigentlich mag ich Charles.«
    »Bug meinst du?«
    »Ja.«
    »Und?«
    »Ich hab mich immer gern mit ihm unterhalten«, erklärte sie. »Vom ersten Mal an, als Sie mit uns essen gegangen sind. Ich hab ihm gesagt, er soll abnehmen. Das hätte ich nicht tun sollen, aber er wollte doch mit mir ausgehen, und ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte.«
    »Er trainiert drei Stunden am Tag. Hat bestimmt schon zehn Kilo verloren.«
    »Ich weiß. Ich will ihn nicht verletzen, Leonid.« Das war das erste Mal, dass sie mich bei meinem Vornamen nannte. Das war wohl meine Woche der ersten Male. »Und ich weiß, wenn … wenn wir intim werden, werde ich ihn am Ende fallenlassen.«
    »Da gibt es kein Problem, Z.«
    »Aber er meint es so ernst. Er will mich.«
    »Sag ihm einfach, du kannst das im Augenblick nicht. Sag ihm, er kann mittwochabends mit dir ausgehen, aber nicht freitagnachts. Sag ihm, du schaust dich noch immer um, und wenn er mehr will, muss er anderswo hingehen.«
    »Aber …«
    »Sag ihm das, und dann soll er sich entscheiden. Für ihn wird das der reinste Liebesdienst sein.«
    »Ein was?«
    »Etwas, das nur eine Frau wie du für ihn tun kann, damit irgendwann mal ein Mann aus ihm wird.«
     
    Nach diesem Gespräch mit Zephyra hatte ich meine Ruhe wiedergefunden. Keine Ahnung, was an ihrem Wunsch, sich ihrer Schönheit zu vergewissern, meine eigenen Ängste besänftigt hatte, aber ich ging ein wenig schneller – und tätigte noch einen letzten Anruf.
    Es ging niemand dran, doch nach nicht mal einer Minute kam ein Rückruf.
    »Hi, LT«, sagte er.
    »Bist du da?«
    »Hm-hm.«
    »Bleib dort, bis alles vorbei ist oder etwas schiefgeht, okay?«
    »Was immer du sagst.«
    »Denk dran«, ermahnte ich ihn, »nicht zögern.«
    »Mach ich eh nie.«

52
    Zum ersten Mal betrat ich das Apartment im dritten Stock an der 31st Street. Zwei Zimmer, nackte, narbige Eichendielen und fleckige, schmucklose Wände. Ich durchquerte den winzigen Eingangsbereich und bog um die Ecke ins Wohnzimmer. Das einzige Mobiliar bestand aus einem schweren Walnussschreibtisch und einem Sessel vor dem Fenster. Auf dem Tisch stand ein großes schwarzes Telefon, die hellgrünen Jalousien waren zugezogen. Links gab es einen Wandschrank. Ich schob den schweren Tisch über den Boden, bis er vom Fenster abgewandt war und auf den Wandschrank schaute.
    »Trautes Heim, Glück allein«, sagte ich laut und setzte mich in den Sessel rechts vom Schreibtisch.
    Ich holte tief Luft und wählte eine Nummer.
    »Hallo?«, fragte Chrystal Chambers-Tyler.
    »Einen Augenblick«, sagte ich.
    Ich drückte einen Knopf und wählte eine zweite Nummer.
    Ich hörte es nicht mal klingeln, als Cyril Tyler schon abhob. »Chrystal?«
    »Cyril?«, entgegnete sie.
    Ich konnte den Hörer beiseitelegen, der Lautsprecher war automatisch angegangen.
    »Wie geht es dir?«, fragte der Waschlappen und mögliche Killer.
    »Und dir?«
    »Ich vermisse dich, Chrys.«
    »Mr. McGill hat mir erzählt, du hättest Krebs gehabt, deshalb seist du jede Nacht am Telefon gewesen und hättest Gewicht verloren.«
    »Ich hatte Angst, es dir zu sagen. Selbst als die Chemotherapie anschlug, hatte ich Angst, es auszusprechen.«
    »Ich bin deine Frau, Cyril. Wir sollten doch in der Lage sein, die schweren Zeiten gemeinsam zu meistern.«
    »Ich weiß, Schätzchen. Bin ich trotzdem noch dein kleiner Junge?«
    Cyril und Chrystal rechneten wohl damit, allein telefonieren zu können, vielleicht stand ihnen das auch zu, aber ich wollte wegen so etwas Bedeutungslosem wie Höflichkeit nicht die Gelegenheit verpassen, meinen Job zu erledigen.
    Ich lauschte, ohne rot zu werden, während die beiden, die sich auseinandergelebt hatten, darüber sprachen, was sie in ihrer Einsamkeit durchmachen mussten. Sie klangen albern und kindisch, weniger wie ein Liebespaar, eher wie lebenslange Freunde. Es hätte ganz bezaubernd sein können, wenn da nicht drei tote Frauen gewesen wären.
    Ich hatte noch immer die Aktentasche bei mir und nahm einen der dicksten Bände heraus – Will und Ariel Durants Die Napoleonische Ära aus ihrem vielbändigen Meisterwerk Kulturgeschichte der Menschheit . Während also die Liebenden, von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher