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Bis dass der Tod uns scheidet

Bis dass der Tod uns scheidet

Titel: Bis dass der Tod uns scheidet
Autoren: Walter Mosley
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war.
    Bisbe, der Künstler, verschwand von der Bildfläche. Chrystal und ihre sechs Nichten und Neffen zogen in Cyrils Dachvilla ein und machten sich keine Sorgen, er könne sie im Schlaf ermorden. Ira Lamont rief eines Nachmittags in meinem Büro an und fragte, ob ich ihm eine Revanche geben würde.
    »Sie haben mich überrumpelt«, beklagte sich der Cowboy. »Wenn ich gewusst hätte, dass Sie Boxer sind, hätte ich anders gehandelt.«
    Ich legte einfach auf.
    Zwei Tage später rief Chrystal an, Cyril würde für ein paar Tage fort sein.
    »Ich verstehe«, sagte ich. »Aber du und ich wissen ja, wohin das führen würde.«
    »Hast du Angst?«, fragte sie.
    »Ich bin starr vor Schreck.«
    »Also ein Nein.«
    »Ja.«
     
    Und dann, eines Nachts um zehn, bevor Katrina von ihrem Ausflug mit den Mädchen zurück war, klingelte mein Handy.
    »Hallo?«
    »Mr. McGill«, sagte ein Mann.
    »Hamish.«
    »Morgen Nachmittag. Manhattan, wo Sie wollen. Sagen wir um zwei?«
    »Das Red Lantern auf der 48th Street«, sagte ich. »Ich werde zwei Gäste mitbringen.«
     
    Twill, Iran und ich trafen um ein Uhr im erstklassigen Restaurant des Oceanus Hotel ein. Ich wollte noch etwas Zeit mit den beiden jungen Männern verbringen, bevor Vartan eintraf. Wir hatten uns ja nicht zum Essen verabredet. Die jungen Männer bestellten Hamburger, ich bestellte Nudeln mit viel Butter und ein paar Schnitzern Trüffel.
    »Du solltest irgendwann mal im Studio vorbeikommen«, meinte Iran. »Ich könnte dir ein paar Muskeln verpassen.«
    Iran kannte sich mit der Hackordnung der Straße aus. Er war ein dominanter Typ, der gern die jüngeren Ganoven bei der Stange hielt.
    »Ich glaube nicht, Mr. Shelfly«, erwiderte mein Lieblingssohn.
    »Warum nicht?«, setzte Iran nach. »Magst du es, verprügelt zu werden?«
    »Es geht um die Anfechtung der drei M.«
    »Häh?«
    »Es braucht keine Moneten, Mamas oder Muskeln, um mich zum Mann zu machen. Und falls das irgendwer in Frage stellen möchte, habe ich eine Tasche voller Antworten parat.«
    Ich lachte nicht, denn Iran war ein guter Kerl und verdiente Respekt. Ich fragte mich nur, wo Twill so ein Wort wie ›Anfechtung‹ herhatte. Er steckte voller Überraschungen.
    »Hast du was von deinem Bruder gehört?«, fragte ich, um jeder möglichen Konfrontation aus dem Weg zu gehen.
    »Tatyana und er sind am Donnerstag zu Hause.«
    »Bei uns?«
    »Nein. Du weißt doch, Ma wäre damit überhaupt nicht glücklich. Die beiden sind länger geblieben, weil Taty wusste, wo ihr Freund ein bisschen Bares versteckt hatte. Sie haben mich gebeten, ihnen eine Bude in Prospect Park zu besorgen.«
    Ich war gerade damit beschäftigt, die vielen Zwischentöne von Twills Erklärung zu deuten, als Harris Vartan den Speiseraum betrat. Sein Dreitausend-Dollar-Anzug hatte die Farbe von blankem Kupfer, und der Jadering am kleinen Finger seiner linken Hand strahlte heller als ein Smaragd.
    Während er auf den freien Platz am Tisch zuging, erschien ein Kellner und servierte ein Hühnerbrustfilet mit grünen Bohnen und zwei gekochten Frühkartoffeln. Ein anderer Kellner tänzelte heran und stellte einen Kelch mit blutrotem Wein zu Vartans Rechter.
    »Twill«, grüßte der Diplomat. »Mr. Shelfly.«
    Keine Ahnung, woher er Irans Namen kannte, aber das überraschte mich nicht. Harris Vartan lebte zwar in Chicago, aber er kannte sich in New York besser aus als Bürgermeister Bloomberg.
    Nachdem wir alle den Gruß erwidert hatten, aß Vartan ein Stück Fleisch und trank einen Schluck.
    »Entschuldigung, Harris«, sagte ich, »aber es ist sehr schwer für mich zu erkennen, wer hier für wen arbeitet. Du hast mich auf eine Reise geschickt, bei der es mir beinahe den Kopf abgeschraubt hätte.«
    »Lebt er noch?«
    »Vor fünfzehn Jahren schon.«
    »Irgendwelche Hinweise, wo er jetzt wohl steckt?«
    »Wozu willst du das wissen?«
    Vartan legte seine Hände auf den Tisch und sah mir in die Augen.
    »Weil Clarence mir alles Wichtige beigebracht hat, was ich je gelernt habe«, erklärte er.
    Ich lächelte, und meine beiden jungen Schützlinge rutschten unbehaglich auf ihren Stühlen hin und her.
    »Du bist sein Sohn und verdienst es, die Wahrheit zu wissen«, sagte Vartan. »Du hast für mich gearbeitet, weil … es war meine Schuld – nun ist sie beglichen.«
    Er aß weiter.
    Die jungen Männer blieben stumm, und ich schloss mich ihnen für eine Weile an.
    Nach etwa der Hälfte von Vartans Mahlzeit sagte ich: »Iran hier hat ein Problem mit einem
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