Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis dass der Tod uns scheidet

Bis dass der Tod uns scheidet

Titel: Bis dass der Tod uns scheidet
Autoren: Walter Mosley
Vom Netzwerk:
nicht, mein Junge«, erwiderte ich.
    Er nahm seinen lackierten Hut ab und ließ ihn klappernd zu Boden fallen.
    Ich hasste Cowboys.
    Sein Angriff wies Spuren von Kampfkunst auf. Capoeira vielleicht. Er duckte sich und versuchte, mich mit einem Scherenschlag von den Beinen zu holen.
    Ich tat einen großen Schritt zurück, er versuchte es noch mal. Diesmal trat ich zur Seite, und er donnerte mit seinem Stiefel durch die Glastür zu Pelhams Büro. Sofort sprang Lamont wieder hoch, eine Rakete aus Muskeln und Knochen. Ich wartete, bis er in der Luft war, und schlug eine gerade Rechte an die Stelle, wo gleich sein Kinn sein würde. Nach diesem Treffer prallte ein linker Haken an seiner rechten Schläfe ab.
    Ira landete auf dem Boden wie ein dicker Sack Sand. Vielleicht war er tot, aber das kümmerte mich nicht. Jemand hatte versucht, meine Klientin umzubringen, und hatte beinahe meinen Freund umgebracht. Ich selbst lebte von geliehener Zeit.
    Wenn Rache hieß, dass Ira Lamont sterben musste, dann sollte es so sein.
    Ich ging den langen, hellen Flur entlang zur kackbraunen Schundheftchenbibliothek, aber dort war niemand. Ich ging weiter in ein weißes Esszimmer, das von einem großen Holztisch und einem Dutzend Stühlen bewohnt wurde. Über dem Essbereich schwebte ein riesiger Kandelaber, doch es brannte kein Licht. Ich trat in ein weiteres Zimmer, ein Wohnzimmer in Blassblau und Hellgrau. Die Farben erinnerten mich an etwas. Es handelte sich um dasselbe Farbschema, mit dem sich Azure Chambers vor allen lauten Gedanken oder Vorstellungen schützte.
    Cyril saß auf einem austernschalenfarbenen Sofa und trank etwas, das durchaus ein Glas Cognac aus dem 19. Jahrhundert für 2000 Dollar hätte sein können. Die Flasche auf dem Tisch neben ihm sah zumindest so alt aus. Ich zog die Waffe, die ich bei Ira nicht gebraucht hatte. Ich wollte Cyril umbringen. Das Einzige, was mich davon abhielt, war, dass es irgendwie irrational wirkte. Ich war nicht allein wegen einer toten Mutter, sechs Waisenkindern und der maßlosen Bevorzugung der Reichen hier, sondern vor allem, um Gerechtigkeit für meinen Vater einzufordern, Rache für den Traum, der ihn zugrunde gerichtet hatte.
    Cyril trug einen verblichen blauen Hausmantel. Er starrte seine Nemesis an, und seine Miene versteinerte. Ich machte zwei Schritte, setzte den Lauf an seinem Kopf an und legte meinen Daumen auf den Hahn. Etwas an Cyrils Passivität wirkte wie ein Geständnis, eine Hinnahme des Urteils.
    Dann flüsterte mir etwas ins Ohr. Das Geräusch meines Blutes, das regelrecht um den Tod dieses Mannes sang.
    »Mr. McGill«, sagte Chrystal leise. »Leonid.«
    Wenn es ein Mann mit einer Waffe gewesen wäre, wäre ich bereits tot gewesen. Ich schloss die Augen, holte tief Luft und wartete auf den Tod.
    Dann schlug ich die Augen auf und sah in der bekannten Umgebung eine völlig neue Szenerie vor mir.
    Chrystal trat in mein Blickfeld. Sie trug ein freizügiges Negligee, keine Schuhe oder Slipper. Die nackten Füße verrieten mir die Geschichte.
    »Was machst du hier?«
    »Nachdem ich aufgelegt hatte, habe ich mir ein Taxi gerufen.«
    »Wozu?«
    »Ich war mir sicher, dass Cyril mir die Wahrheit gesagt hat. Ich kenne ihn.«
    »Du kennst ihn. Dann erklär mir doch mal Folgendes – in die Wohnung, in der ich die Telefonverbindung hergestellt habe, ist ein Mann eingedrungen. Er hat meinen Freund niedergestochen und hätte mich beinahe ausgeweidet.«
    »Wer hat ihn geschickt?«, fragte Cyril, der noch immer den Lauf meiner Pistole an der Schläfe spürte.
    »Sie.«
    »Hat er Ihnen das gesagt?«
    »Es gab keine Gelegenheit mehr zu einer Unterhaltung.«
    Chrystal tat einen Schritt auf uns zu.
    »Bleib, wo du bist«, sagte ich.
    »Er hat nicht versucht, mich umzubringen«, stellte Chrystal fest.
    »Ein bewaffneter Killer ist in das Haus eingedrungen, von dem er annahm, dass du von dort aus telefonierst. Er war nicht meinetwegen dort.«
    »Was sagen Sie da?«, fragte Cyril.
    »Sie haben einen Mann namens Bisbe engagiert, um den Anruf zu verfolgen, den Sie heute Abend erhalten haben. Er ging zu der Wohnung, die ich extra dafür hergerichtet hatte – um Chrystal zu ermorden, genau wie er Shawna und Pinky und meinetwegen auch Allondra umgebracht hat.«
    »Nein«, sagte Cyril zu Chrystal. »Das habe ich nicht.«
    Sie wirkte verwirrt und besorgt.
    »Das kann ich nicht glauben«, sagte sie zu mir.
    »Dein Bruder hat mir gesagt, er sei zu deinem Mann gegangen, um Geld aus ihm
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher