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Bis auf die Haut

Bis auf die Haut

Titel: Bis auf die Haut
Autoren: Nikki Gemmell
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Stoßzeit, nur ist alles noch schneller, dreister und rücksichtsloser; grandios, denkst du dir. Mopeds, Touristenbusse und Eselkarren bleiben stehen und fahren los, wechseln die Spur und schneiden einander den Weg ab, alles ohne erkennbare Regeln. Die Menschenmassen schieben euch zum großen, pulsierenden Platz im Herzen der Stadt, Djemma El Fna, und du blickst hoch zu den niedrigen, ockerfarbenen Gebäuden ringsum. Da löst du dich von Cole und drehst dich trunken von diesem Anblick im Kreis, denn für dich ist es, als ob sich alles Leben auf diesem Platz verdichtete. Schlangenbeschwörer, um deren Arme sich lebende Ketten aus Schlangen ringeln, Geschichtenerzähler mit tausend Runzeln im Gesicht, umringt von aufmerksamen Zuhörern, Wasserverkäufer mit Messingbechern am Gürtel wie Patronengurte, verschleierte Frauen, die Glücksbringer und Schmuck anbieten, hennagefärbte Hände. Eine Filmkulisse voller phantastischer Exotik und abscheulichstem Kitsch.
    Diz wäre hingerissen, lachst du.
    Gott sei Dank hast du sie nicht mitgebracht.
    Du hättest sie am liebsten direkt mitgenommen, als du sahst, wie schlecht drauf sie war. Sie hätte sich euch ein paar Tage anschließen können, die Reise als Geschenk von dir: In drei Tagen hat sie Geburtstag, am 1 . Juni. Aber dir war klar, dass du das erst mit Cole absprechen musstest, und er wollte natürlich nichts davon hören.
    Die tickt doch nicht ganz richtig.
    Das sagst du von allen meinen Freundinnen.
    Diz ist schlimmer als der Rest.
    Das kannst du nicht bestreiten. Theo fährt nach Paris, nur um zum Friseur zu gehen. Hat ein Tattoo – eine Gardenie in der Bikinizone. Kann nicht mal ein Spiegelei braten. Schaut nie Fernsehen. Lässt sich jeden Montag und Freitag ihre Lieblingsblumen liefern: Floribunda-Rosen, Kelchlilien, exquisite Gardenien-Gebinde. Ist mit einem Mann namens Tomas verheiratet, der zwanzig Jahre älter ist als sie und mit dem sie noch nicht besonders oft geschlafen hat. Sie hat da ein Problem.
    Was denn?, hast du gefragt, als sie dir das erzählt hat.
    Vaginismus. Klingt übel, was? Wie etwas, was man sich in Amsterdam holt. Es bedeutet, dass sich, wenn mich jemand ficken will, die Muskeln rund um meine Vagina verkrampfen. Tut scheußlich weh.
    Theo, ausgerechnet deine Theo! Du nahmst sie in die Arme, Sorgenfalten im Gesicht, und begannst zu weinen.
    He, schon gut, lachte sie, ist alles halb so schlimm. Hat mir sogar viel Spaß gebracht.
    Sie lehnte sich zurück und verzog den Mund zu ihrem üblichen schiefen Grinsen, ihrem Markenzeichen. Holte ihre kleine Silberdose hervor. Zündete sich eine Zigarette an. Erzählte, dass sie deshalb die Sache untersuchen wollte, Forschung über die weibliche Lust treiben, über die weibliche Lust, was so herrlich spannend war, dass schließlich ein Job daraus wurde. Informierte dich, dass die meisten Frauen nie durch vaginale Penetration zum Orgasmus kommen, dass der ganze Spaß in der Klit liegt. Ihre unverblümte Ausdrucksweise brachte dich damals zum Erröten, gegen manches warst du einfach machtlos.
    Ich kann dir nicht sagen, wie viele meiner Klientinnen nicht den geringsten Lustgewinn aus einer Nullachtfünfzehnpenetration ziehen, sagte sie und unterstrich ihre Worte mit wütenden kleinen Schlägen auf den Tisch, dass das Besteck klirrte. Wir Frauen wissen einfach nicht, wie wir uns Lust verschaffen. Und werden’s nie lernen. Wir konzentrieren uns immer noch viel zu sehr auf die Lust der Männer, auf Kosten unserer eigenen.
    Dir war nicht ganz wohl bei dieser Unterhaltung, sie ging dir zu tief unter die Haut.
    Konnte dir bei diesem Vagi …, Vaginismus denn geholfen werden?
    Ja. Unter Einsatz eines schrecklichen Instruments namens Dilator.
    Und klappt’s denn jetzt?
    Nun ja, das schon, aber als ich dann endlich bekam, worauf ich gewartet hatte, war’s eine herbe Enttäuschung. Diese Art von Sex ist ja so öde im Vergleich zu allem anderen. Warum hat mir bloß keiner was gesagt?
    Und da gurgelte wieder Theos wunderbares Lachen aus den Tiefen ihres Bauchs empor, aber in ihren Augen lag keine Fröhlichkeit. Ihre Ehe mit Tomas war so seltsam, du konntest dir kaum vorstellen, wie das funktionierte. Er hatte andere Beziehungen mit Männern wie mit Frauen, und Theo hatte auch Beziehungen mit Frauen wie mit Männern, so lebten sie eben. Trotzdem blieben sie zusammen.
Es gibt keine Leidenschaft in meinem Leben, für rein gar nichts.
Weder für ihren Mann, den zu lieben sie nach ihren eigenen Worten zu klug sei, noch
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