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Birne sucht Helene

Birne sucht Helene

Titel: Birne sucht Helene
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Hause bekommen.« Sie klimperte mit ihren langen Wimpern.
    Es war wirklich merkwürdig: Seit er keine ordentlichen Anzeigen mehr schrieb, seit das Ganze zu einer Art Fortsetzungsgeschichte seiner Liebesqualen geworden war, erhielt er unzählige Briefe. Das lokale Fernsehen hatte sogar schon über den mysteriösen »Birne sucht Helene«-Schreiber berichtet. Paul hatte bisher sämtliche Briefe gelesen, und auch diese würde er alle öffnen. Das war er den Verfasserinnen schuldig. Die meisten fragten nicht nur nach einem Treffen, sie schrieben ihm seitenlang, ihre Trennungsgeschichten, ihre erfolglose Suche nach einer neuen Liebe, und dass sie ihn verstehen würden.
    Paul fühlte sich wie feinster Zucker, der in alle Winde verstreut wurde.
    Er würde allen antworten, aber sich mit keiner treffen. Ab jetzt würde er ein Cowboy sein, so richtig mit Pferd und Lasso, Pistole und Stiefeln und allem drum und dran. Solo würde er in den Sonnenuntergang reiten. Vielleicht ein treuer Hund an seiner Seite. Oder eine Geierschildkröte, auf deren Rücken eine dicke Katze saß. Pauly Luke. Der Mann, der schneller kochte als sein Schatten.
    Romantik pur.
    Heute stand ein Ritt nach Hündekausen zu Oma Gerti an. Er hatte extra Kuchen für sie gebacken. Nichts Ausgefallenes, ein ganz einfaches, traditionelles Rezept. Aber mit guter französischer Butter,Eiern von frei laufenden Bio-Hühnern (dem Preis nach zu urteilen, bekamen sie jeden Tag eine Bürzel-Massage), fein gesiebtem Mehl, Bourbonvanillezucker – und einer großen Portion Liebe. Irgendwo musste er ja hin damit. Es war so viel davon da. Und diesmal hatte er sich bei Oma Gerti auch angemeldet, um nicht bei einem amourösen Treffen mit Heinrich zu stören. Davon wollte er gar nichts wissen. Paul verdrängte das einfach. Sie war doch seine Oma!
    Als er ankam, jätete sie gerade Unkraut im Garten. Alles spross wie verrückt. Er gab ihr zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange.
    »Immer schön fleißig, Oma, sonst kommst du ins Heim!«
    »Ach, du mit deinen Scherzen!« Sie kniff ihn in die Wange. »Haste mir Kuchen mitgebracht? Riech ich doch.«
    »Steht aber noch im Auto. Was du für eine Nase hast.«
    »Immer schon, Jung, deine Oma hatte immer schon ein feines Näschen. Aber wenn dein Opa manchmal von der Arbeit kam, ganz verschwitzt, da war das gar nicht so schön.« Sie lachte. »Der stank dann wie ein nasser Biber.«
    Sie erhob sich mit einem leisen Stöhner, beförderte das ausgerissene Unkraut auf den Komposthaufen und ging mit Paul hinein in die gute Stube. Ihr Kater Dicker schlief auf der Fensterbank, die Sonne brannte auf sein Fell. Vor ihm lag eine tote Maus. Vermutlich hatte der faule Kater sie zu Tode gelangweilt. Natürlich setzte Oma Gerti zuerst mal Kaffee auf.
    »Siehst schlecht aus, Jung. Kriegste nicht genug zu essen? Musst was essen, dann kommste wieder zu Kräften. Bütterchen?«
    »Nee, danke. Am Essen liegt es nicht. Ich arbeite zurzeit in einem Restaurant, da bekomme ich halt wenig Sonnenlicht und arbeite immer in der Hitze. Aber ist ein guter Job.« Vor allem so stressig, dass man nicht zum Denken kam, dachte Paul.
    »Nee, Jung, da ist was in deinen Augen. Die sehen so traurig aus. Isset wieder wegen der Liebe?« Sie schnitt den Kuchen an. DasAroma des Vanillezuckers stieg Paul in die Nase wie die reinste Verführung. Bei diesem süßen köstlichen Duft musste er direkt an Eli denken. Verdammt!
    »Lass gut sein, Oma. Bringt nix, darüber zu reden.«
    »Ach, Reden tut immer gut. Dann ist man es los.«
    »Wenn es so einfach wäre.«
    »Erzähl es der Oma, bist doch mein Jung. Sonst mach ich mir Sorgen, und dann kann ich nicht schlafen.«
    »Ist aber keine schöne Geschichte.«
    »Jaja, so ist das manchmal mit der Liebe. Kann sehr schön sein, kann aber auch sehr weh tun. Weiß ich doch, Jung. Ist wegen dieser Elisabeth, von der du dachtest, das sei die Richtige. Die hat dir das Herz gebrochen, nicht? Sieht die Oma direkt. Ist sehr lecker dein Kuchen, den sollteste ihr mal vorsetzen, dann heiratet dich das Mädchen sofort. Wirst sehen!«
    »Ach, Oma.« Und mit einem Mal erzählte Paul alles, es sprudelte nur so aus ihm heraus. Der Staudamm, den er darum errichtet hatte, brach, als wäre er aus Streichhölzern. Doch wann immer Paul konnte, vermied er es, Elis Namen auszusprechen. An ihm hing so viel dran. Doch das Reden machte nichts besser. Vielleicht musste er Hunderte Male davon erzählen, bis es ihm wie ein Film vorkam, den er mal im Kino gesehen hatte.
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