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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit
Autoren: Justinus Kerner
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schützte. In dessen Wänden verbreiteten zahllose Öfen Wärme. Das ganze Gewölbe des großen Gebäudes trug das schönste Grün, und es hing so in der Luft, daß man keinen einzigen Pfosten bemerkte. Da bogen sich Orangenbäume unter dem Gewichte ihrer Früchte. Da ging man durch Weingärten voll Trauben wie im Herbste, und Obstbäume boten ihre reichen Früchte dar. Andere Orangenbäume wölbten sich zu Lauben. Der ganze Garten bildete ein frisches Blätterwerk. Mehr als dreißig Bassins spritzten ihre kühlen Wasser, und 100000 Glaslampen, die nach oben einen prachtvollen Sternenhimmel bildeten, beleuchteten nach unten die schönsten Blumenbeete.
    In diesem Zaubergarten nun wurden die großartigsten Spiele, dramatische Darstellungen und Ballette und Tonstücke von den größern Meistern damaliger Zeit aufgeführt. Das war noch die Zeit der
stürmischen
Periode dieses Herzogs, wo er bei einem solchen Feste einmal in weniger als fünf Minuten für 50000 Taler Geschenke in geschmackvollen Kleinodien an die anwesenden Damen austeilte.
    Auf dem großen Marktplatze, auf dem die Oberamtei, das Haus meiner Geburt, stand, wurden venezianische Messen gehalten. Der große Marktplatz war zeltartig mit Tüchern bedeckt, Verkäufer und Käufer waren maskiert. Es war ein buntes Getümmel von Masken, welche die tollsten Aufzüge und Spiele ausführten, worunter nicht das stärkste ein riesenhafter Heiducke des Herzogs war, der in die Maske eines Wickelkindes gekleidet, in einer Wiege herumgeführt und mit Brei von einer Amme, die ein Zwerg war, gespeist wurde. Von den Fenstern des Oberamteigebäudes konnte man den Marktplatz am besten überschauen, daher nahm der Herzog in solcher Zeit mit seiner Gemahlin Franziska den Aufenthalt daselbst.
    Meine Eltern mußten da jedesmal Raum schaffen, ja, auch die unteren Gelasse des Hauses, wo die Schreibstuben waren, mußten geleert werden: denn hier wurde in solcher Zeit eine
Pharobank
eingerichtet.
    Der Herzog mit seinem goldbordierten Hütchen, seiner mit Buckeln versehenen, gepuderten Frisur mit einem Zöpfchen, seinem kirschroten Rocke, seiner gelben Pattenweste, seinen gelben Hosen, hohen Stiefeln und Stiefelstrümpfen, und die Herzogin in weitem Reifrocke mit schlanker Taille, hoher gepuderter Frisur, auf der hoch oben eine gelbe Bandschleife, wie ein Kanarienvogel saß, sind meine ganz im Nebel schwimmenden, traumhaftesten Erinnerungen.
    Etwas heller blieb in meinem Gedächtnisse ein Mann, der zu jener Zeit und auch noch später öfter unser Haus besuchte und um dessen Stock, um auf ihm zu reiten, sich oft meine Brüder schlugen. Es war eine kräftige Gestalt mit großen Augen, einer etwas aufgestülpten Nase und einer toupetartigen Frisur, ein Mann mit lebhaften Bewegungen und kräftiger Stimme, der Dichter
Schubart.
    Er war ein Jahr nach meiner Geburt von seiner zehnjährigen Gefangenschaft befreit und zum Hofdramaturgen in Stuttgart ernannt worden, wo er dann
Ludwigsburg,
seinen frühern Wohnort, und meinen Vater, hielt sich der Hof und das Theaterpersonal in Ludwigsburg auf, öfter besuchte.
    Mein Vater liebte ihn seines Genies wegen, war aber öfter als Beamter genötigt, gegen sein exzentrisches, ja sittenloses Wesen einzuschreiten. Dennoch gedenkt Schubart desselben dankbar in seiner Lebensgeschichte. So sagt er von ihm: »Regierungsrat
Kerner,
die beste, gütigste Seele, liebte und schätzte mich bei allen meinen Fehlern, in der menschenfreundlichen Erwartung, der Sturm werde sich legen.«
Schubart
hatte ihn zum Taufpaten eines ihm zu Ludwigsburg geborenen Sohnes erwählt.
    Schubart
kam meistens zur Abendzeit zu uns, wo meine Schlafstunde war, setzte sich bald ans Klavier, spielte und sang, wobei ich selten einschlief, aber mich vor Angst oft schlafend stellte.
    Außer den venezianischen Messen gab es auf dem großen Marktplatze vor dem väterlichen Hause auch noch andere Auftritte, die sich in eine kindliche Phantasie fest einprägten.
    Hier marschierten oft die riesigen Grenadiere, man hieß sie Legioner des Herzogs, zur Parade, oder bezogen die nahestehende Hauptwache. Sie waren nach dem Schnitte der Leibgarde Friedrichs des Großen gebildet, in Größe und Gestalt von Pappelbäumen, in roten Fräcken mit schwarzen Aufschlägen, und hatten auf den gepuderten Häuptern über den steinharten Zöpfen hohe spitze Grenadiermützen sitzen, die mit gelbem Bleche beschlagen waren. Oft hatte man hier auch derben Ohrenschmaus von einer Versammlung von Tambours, nach deren
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