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Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes
Autoren: Brigitte Glaser
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Sauerkirschen.
    Sprich endlich ein Machtwort, Mama, flehte ich in Gedanken und sprang Erna am Gasherd zu Hilfe. Mach dem Tohuwabohu ein Ende!
    Schon kräuselte sich der sanfte Duft des Coq au Riesling in der Küchenluft, schon wurden auf der Franzosenseite die Böden für die Tartes ausgerollt, die Küchenmaschine zum Reiben der Crudités angeworfen, die Heidelbeeren nach Blätterresten durchsucht, schon sah es also so aus, als würden sie uns locker schlagen, da wieselte Pierre Mueller plötzlich auf unsere Küchenseite, flüsterte Martha etwas ins Ohr und kehrte dann ohne ein weiteres Wort wieder in sein Reich zurück.
    Was immer der kleine Franzose ihr eingeflüstert hatte, es wirkte Wunder. Martha straffte den Rücken, klatschte in die Hände, sammelte unsere desperate Kochschar um sich und machte endlich klare Ansagen. Höchste Eisenbahn, wir hatten nur noch zwei Stunden Zeit. Was ich nicht für möglich gehalten hatte, geschah: Wir fanden einen gemeinsamen Rhythmus. Felix präparierte die Schäufele, Pascal kratzte das Mark aus den Knochen – erstaunlich behutsam –, Erna schnippelte Zwiebeln für den Kartoffelsalat, Martha schnitt Pfannekuchen für die Flädle klein, ich rieb unter Tränen Meerrettich, Hedwig dickte ihre Sauerkirschen ein, nicht ohne vorher alle – Deutsche und Franzosen – ihr Schwarzwälder Kirschwasser riechen und kosten zu lassen, das sie am Ende großzügig über die Sauerkirschen goss.
    Plötzlich herrschte in der Küche eine bombige deutsch-französische Stimmung mit emsigem Treiben und viel Gelächter, es gelang mir sogar, Ernas Fondor verschwinden zu lassen, bevor sie damit den Kartoffelsalat »nachwürzen« konnte. Und dann, als die Bestellungen Schlag auf Schlag eintrudelten, legten wir gemeinsam ein hoch konzentriertes Hand-in-Hand-Arbeiten beim Rausschicken der Teller hin.
    Da stand ich ganz zufällig oder schicksalhaft neben Luc und verliebte mich nach seinen Augen in seine Hände, die einerseits kräftig und an Arbeit gewohnt waren, andererseits mit einer derart sanften Bewegung einen Hauch Petersilie auf den Coq au Riesling streuten, dass ich nichts anderes wollte, als von ihnen berührt zu werden.

DREI
    Ich war im siebten Himmel, als jemand aus weiter Ferne meinen Namen rief. Aber ich wollte mich auf keinen Fall aus dem Paradies vertreiben lassen, also ignorierte ich das Rufen, drehte mich zur Seite, tauchte mein Gesicht in das Kissen neben meinem, atmete den fremden Duft ein, der daran haftete.
    Â»Luc«, murmelte ich und tastete mit der Hand nach seinem Körper. »Luc!«
    Ich richtete mich auf, öffnete jetzt doch die Augen, suchte im Zimmer nach dem Mann, fand ihn nicht. Stattdessen erblickte ich meine Mutter, die sich im Türrahmen festhielt. Nachthemd, zerzauste Haare, nervöser Blick. Martha, natürlich. Wer sonst würde mich mitten in der Nacht wecken? Trotzig warf ich mich wieder aufs Kissen, zog das Plumeau über den Kopf und schloss die Augen. Aber der Weg zurück ins Paradies war versperrt.
    Â»Katharina! Da liegt einer. Los, steh auf!«
    Eilige Schritte, dann wurde meine Bettdecke zur Seite geschlagen. Martha ließ sie schnell wieder sinken, als sie merkte, dass ich nackt war. Immer, immer schon hatte ich es gehasst, wenn sie mir die Bettdecke wegzog. Damit ich endlich aufstand, damit ich tat, was sie wollte … Zumindest heute war es ihr peinlich. Sie sah zur Seite, bis ich das Bettlaken aus der Matratze gewurstelt und mich darin eingewickelt hatte.
    Â»Du musst aus dem Fenster sehen.«
    Mit nackten Füßen und wackeligen Schritten tapste ich über den Teppichboden. Lucs Duft hing im ganzen Zimmer, Martha hatte ihn nicht vertreiben können. Sie deutete aufs Fenster, zog sich aber selbst wieder zum Türrahmen zurück. Ich sah hinaus. Milchiges Morgendämmerlicht. Menschenleere Straße, geschlossene Fensterläden an den gegenüberliegenden Häusern. Über allem lag noch die nächtliche Stille, nur der Bach gurgelte leise. Es musste noch sehr früh sein. Irgendwas zwischen vier und fünf, schätzte ich. Noch lang hin zur Frühmesse. Wenn ich also meine Sünden nicht bereuen sollte, was wollte meine Mutter dann von mir?
    Â»Im Bach! Siehst du das nicht?«
    Doch. Jetzt sah ich es. Da lag einer im Wasser. Auf Höhe der Waschsteine, ungefähr da, wo gestern Mittag Felix und Pascal gestanden
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