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Beweislast

Beweislast

Titel: Beweislast
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Tatsache ist, dass auch Friedbert Grauer sterben sollte.«
    Häberle schluckte trocken. Sein Schädel brummte. Doch weil niemand eine Frage stellte, sondern alle darauf brannten, seine Schilderungen zu hören, fuhr er fort: »Heute hat Herr Hudelmaier ein Geständnis abgelegt. Er hat den Unfall bei dem Bürocontainer inszeniert, um Grauer aus dem Weg zu räumen. Allerdings hat dies nicht so geklappt, wie erhofft. Hudelmaier hatte befürchten müssen, dass Grauer überlebt – vor allem aber, dass er das Kennzeichen abgelesen haben könnte. Deshalb hat er sein Opfer erdrosselt – mit einem alten Transmissionsriemen, den er zufällig bei sich hatte.«
    Muckenhans nutzte Häberles Pause zu einer Nachfrage: »Und dies entnehmen Sie einem Geständnis des Herrn Hudelmaier?«
    »So ist es. Er hat zunächst geleugnet, doch die Indizien, die wir vorlegen konnten, waren erdrückend.« Gewisser Stolz klang in seiner Stimme. Seine Blicke trafen sich mit denen Ketschmars. Der Angeklagte bekam wieder Farbe ins Gesicht. Er schien begriffen zu haben, was Häberles Aussage für ihn bedeuten würde.
    »Sie entsinnen sich«, fuhr der Kommissar fort, »im Rahmen der Ermittlungen war immer wieder von einem roten Lacksplitter die Rede gewesen, den man an der Hose Grauers gefunden hatte. Er ist nach dem DNA-Ergebnis in den Hintergrund getreten – doch jetzt wissen wir, dass Herr Hudelmaier noch einen roten Golf der ersten Baureihe fährt, zu dem der Splitter passt. Das Auto ist derart verbeult, dass sich unsere Techniker schwer damit getan hätten, Spuren sicherzustellen.«
    Betretenes Schweigen. »Sie hatten aber noch weitere Erkenntnisse …?« Beim Telefonat, das Häberle am frühen Morgen mit ihm geführt hatte, war von zusätzlichen Ermittlungsergebnissen die Rede gewesen.
    »Ja, wir haben am Wochenende festgestellt, dass der Schmutz am Fahrzeug von jenem Feldweg stammt, der zu diesem Heckenstreifen beim Steinberghof hinaufführt. Dort, wo Blüchers Arbeitsanzug gefunden wurde. Der Mann hat offenbar versucht, den Tod Blüchers mit dem alten Bauernstreit zwischen den verfeindeten Gehöften in Verbindung zu bringen.«
    Mehr hatte Häberle nicht zu sagen. Keine Fragen. Der Zeuge blieb weiterhin unvereidigt. Häberle seufzte, stand auf und ging mit einem aufmunternden Lächeln am Angeklagten vorbei, um sich in den Zuhörerraum zu setzen. Er wollte selbst miterleben, wie sich die Schwurgerichtskammer zu der Wende bekennen musste.
    Muckenhans schloss die Beweisaufnahme und erteilte routinemäßig noch einmal dem Staatsanwalt das Wort. Dieser stand zerknirscht auf und stellte mit dürren Worten fest, dass Hudelmaiers Geständnis eine neue Situation herbeigeführt habe. Zwar, so gab er sich hartnäckig, sei nach wie vor die von der Staatsanwaltschaft dargelegte Variante denkbar und logisch. Doch bleibe nun wohl nichts anderes übrig, als den Angeklagten freizusprechen. Manuel machte es kurz, brachte zum Ausdruck, dass er den Sachverhalt schon immer so gesehen habe, wie er sich nun abzeichne und plädierte auf Freispruch. Ketschmar, erneut zum letzten Wort aufgerufen, schloss sich nun seinem Verteidiger an.
    »Urteilsverkündung in fünf Minuten«, kündigte Muckenhans an. Die Richter verschwanden im Beratungszimmer.
    Im Saal machte sich eine lockere Atmosphäre bemerkbar, wie noch zu keinem Zeitpunkt während des Prozesses. Ketschmar umarmte seinen Schwiegersohn und unterdrückte eine Träne.
    »Manuel, ich danke dir«, war alles, was er hervorbrachte.
    Wenige Minuten später die Urteilsverkündung.
    »Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil. Der Angeklagte wird freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse. Er ist für die zu Unrecht erlittene Untersuchungshaft zu entschädigen. Es ergeht folgender Beschluss: Der Haftbefehl des Amtsgerichts Göppingen wird aufgehoben. Der Angeklagte ist freizulassen.«

70
     
    Frei. Einfach frei. Ketschmar war kreidebleich neben Manuel gesessen, als könne er nicht fassen, was sich soeben ereignet hatte. Alles vorbei. Aufgelöst, wie ein böser Albtraum. Wie seine Horrorträume aus frühen Kindheitstagen.
    Ein Wunder. Ja, es musste ein Wunder sein. Er spürte, wie seine Knie zitterten. Während sich der Schwurgerichtssaal leerte, rief Manuel bereits daheim an, um Ehefrau und Schwiegermutter von der quälenden Ungewissheit zu erlö­sen. Er musste sich beherrschen, um nicht mit den beiden Frauen in Freudentränen auszubrechen.
    Eine halbe Stunde später
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