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Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)

Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)

Titel: Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)
Autoren: Karen Vad Bruun , Benni Bødker
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umzubringen, schrieb er Eine Zeit in der Hölle und floh hierher.«
    Warwick zeigte aus dem Fenster des Merlin, eines mittelgroßen AW 101 -Helikopters, der sie innerhalb der letzten zwanzig Minuten weit in den Golf von Aden hinausgeflogen hatte. Jetzt, da die Küste nicht länger sichtbar war und das Meer unter ihnen allen anderen glich, hatte er die Orientierung verloren. Aber er wusste, dass jeder einzelne der kleinen Punkte, die er tief unter ihnen sehen konnte, möglicherweise ein Piratenschiff war – mit einer bis zu den Zähnen bewaffneten Besatzung, für die ein Menschenleben nichts zählte.
    »Nach seiner Ankunft in Afrika schrieb er keine einzige Zeile mehr. Es heißt, dass er stattdessen genau hier, am Horn von Afrika, Waffenhändler geworden sei. Ob das stimmt, weiß ich nicht. Aber vermutlich fand Rimbaud hier die Hölle, über die er sonst nur in seinen Gedichten schrieb.«
    Schweigend flogen sie weiter. Wahrscheinlich hatte der Pilot in dem dröhnenden Lärm der Rotoren nichts gehört, oder aber Warwicks Vortrag interessierte ihn nicht im Geringsten. Letzteres hätte jedenfalls ausgezeichnet zu jener Mischung aus Verachtung und Mitleid gepasst, mit der er Warwick schon vor dem Abflug gemustert hatte. Er hatte seine Blicke über den Passagier gleiten lassen, von den blank polierten Lloyd-Schuhen über den bereits durchgeschwitzten Anzug bis hin zu dem Brillengestell aus Metall, den wachsenden Geheimratsecken und der Stirn, die in der quälenden Hitze glänzte. Einer von all diesen harmlosen Bürohengsten der Diplomatie, schien er zu denken, und Warwick hatte nichts unternommen, um sein Urteil zu revidieren. Er hatte schon lange begriffen, dass Unauffälligkeit in seiner Branche ein großer Vorteil war.
    »Mutig sind Sie, das muss man Ihnen lassen.«
    Diesmal ging sein Kommentar ganz sicher im Rotorenlärm unter, da der Pilot im selben Moment zur Landung auf einem der Containerschiffe ansetzte. In Warwicks Magen kribbelte es, und er starrte fasziniert aus dem Fenster. Während des gesamten Fluges hatte er nach dem hundertzweiundvierzig Meter langen Containerschiff Ausschau gehalten, doch erst jetzt wurden ihm die tatsächlichen Größenverhältnisse klar. Die Jollen und Gummiboote der Piraten waren teils an der Schiffswand vertäut, teils an Deck gezerrt worden, wo nun auch der Helikopter landete. Nichts weiter als winzige Nussschalen, in denen er sich selbst, wenn es um sein Leben ginge, niemals so weit aufs Meer hinaus begeben würde. Etwas weiter entfernt lagen einige Mutterschiffe, zehn bis fünfzehn Meter lange Seelenverkäufer, die die kleinen Boote mehrere hundert Seemeilen von der Küste wegschleppten, wo sie dann auf Beutefang gingen. Die Mutterschiffe waren bis oben hin mit Öltonnen beladen, damit sie mehrere Tage auf dem Meer fahren und als Versorgungsstationen dienen konnten. Für andere Lasten blieb kein Platz.
    Das Bild, das sich Warwick bot, sah lebensgefährlich aus und verriet die eigentliche Ursache der berüchtigten Rücksichtslosigkeit der Piraten, nämlich jene Verzweiflung, die den Menschen überkam, wenn er nur Hunger und Tod als Alternative hatte.
    *
    Die Tür war lediglich angelehnt, und Linnea verharrte einen Moment. Sie war sicher, dass sie dort drinnen ein Geräusch gehört hatte. Ein Schluchzen. Kläglich und so kurz, dass sie überlegte, ob ihre Phantasie ihr nur einen Streich gespielt hatte. Mit wenigen Schritten wäre sie an der Treppe, die die Eisbader benutzten, um auf das Eis zu gelangen. Doch statt dorthin zu gehen und mit der Arbeit zu beginnen, schob sie die Tür auf und betrat zögernd die Umkleidekabine.
    »Ist da jemand?«, fragte sie.
    Instinktiv hoffte sie, keine Antwort zu erhalten. Sie blieb eine Weile stehen und spürte ihren Herzschlag. Der Raum war von einem durchdringenden Geruch erfüllt, der nicht dort hingehörte, dennoch konnte sie ihn nicht sofort einordnen. Stechend und metallisch. Ihre Vernunft sagte ihr, dass sie so schnell wie möglich von hier wegkommen musste. Dass sie nicht allein hier war. Dennoch blieb sie stehen und wartete, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten und sie in dem kleinen Raum allmählich Konturen unterscheiden konnte.
    »Sie brauchen keine Angst zu haben«, sagte sie. »Ich möchte nur helfen.«
    Linnea hielt den Atem an und versuchte, sich ruhig und leise zu bewegen, denn sie hatte erneut das Geräusch gehört. Ein unterdrücktes Seufzen, ein leiser Klagelaut aus einer Ecke.
    Sie ging weiter in den Raum
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