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Beuteschema: Thriller (German Edition)

Beuteschema: Thriller (German Edition)

Titel: Beuteschema: Thriller (German Edition)
Autoren: Neal Baer , Jonathan Greene
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nicht die richtigen Fragen. Sie war entschlossen, die richtigen Fragen bei ihrer Forschung zu stellen, eine bahnbrechende Methode, Psychopathen nicht als gewissenlose Roboter des Bösen aufzufassen, sondern als Individuen, die nie Angst empfunden haben und sie deshalb bei anderen nicht erkennen konnten. Schon als Kinder hatten viele Insassen der psychiatrischen Station Tiere gequält oder andere Kinder verletzt, weil sie, wie Claire annahm, ein tief gehendes Aufmerksamkeitsdefizit hatten, das es ihnen schwer, wenn nicht unmöglich machte, auf Angst auslösende Situationen zu reagieren. Wenn es Claire und ihren Kollegen gelang, die Schaltkreise in ihrem Gehirn neu zu programmieren, dann würden sie vielleicht, nur vielleicht, Angst bei anderen wahrnehmen können, und das würde sie in Zukunft davon abhalten, weitere Verbrechen zu begehen– vorausgesetzt, sie kamen irgendwann aus dem Gefängnis frei.
    Es war diese wegweisende Arbeit, die Claire in Curtins Blickfeld geraten ließ. Er lockte sie mit seinem prestigeträchtigen Forschungsstipendium und der Chance mit den » Leprakranken der Seele« zu arbeiten, wie er sie nannte, vom NIH fort. Und sie hatte angebissen.
    » Ich möchte sie heilen oder wenigstens verstehen«, hatte Claire bei ihrem ersten Treffen gesagt, als er in ihr Labor in Washington D. C. gekommen war. » Sie haben es sich nicht ausgesucht, so zu sein, wie sie sind, so wie niemand von uns sich seine Eltern oder seine Kindheit ausgesucht hat.«
    » Wenn Sie wirklich etwas bewirken wollen, dann kommen Sie mit mir«, sagte er. » Sie werden in meinem Programm in drei Jahren mehr Menschen helfen, als wenn Sie sich zehn Jahre in einem staatlichen Labor verstecken. Und wenn Sie es durchstehen, können Sie sich anschließend jeden Job aussuchen, den Sie haben wollen.«
    Mehr Menschen helfen. Die Worte hallten in ihrem Kopf wider. Und so hatte sie Curtins Angebot angenommen. Dennoch fragte Curtin sie hier im Gefängnis auf eine so aggressive Weise aus, als wäre sie ein Erstsemester im Medizinstudium. Und genau als solches beabsichtigte er sie offenbar zu behandeln, wie ihr jetzt klar wurde.
    Claire beschloss also, ihn bei diesem Spiel zu schlagen. Sie würde immer auf alles vorbereitet sein, was er ihr hinwarf.
    » Was können Sie mir noch an Relevantem über Mr. Quimby erzählen?«, fragte Curtin nun. Er behielt sein Tempo bei, obwohl sie zurückgefallen war. Es war ihr Problem, Schritt zu halten, und sie hatte ihre Mühe damit. Sie musste schneller gehen, schneller denken, die Antworten finden, befahl sie sich.
    » Nach der Verurteilung von Quimbys Mutter«, antwortete Claire und versuchte dabei, nicht in den Ordner zu schauen, » erhielt seine Großmutter väterlicherseits das Sorgerecht für ihn. Sie nahm ihn mit sich hierher nach New York, wo er in derselben Wohnung wohnte, in der sein Vater aufgewachsen war.«
    » Schulzeugnisse?«
    » Durchgehend noch genügend. Kein College.«
    » Arbeitsverhältnisse?«
    » Nur niedrige Tätigkeiten. Tellerwäscher, Gebäudereiniger, Wachmann. Bis zu seiner ersten Verhaftung vor sechs Jahren fuhr er ein Taxi, aber danach hat man ihm die Taxilizenz entzogen. Seitdem wechselte er ständig zwischen Gefängnis und Freiheit.«
    » Soziale Entwicklung?«
    » Hat allein in einer Einzimmerwohnung in Alphabet City gewohnt. War nie verheiratet.«
    » Psychiatrische Aufarbeitung?«
    » Der Ordner enthält keine Therapieunterlagen aus dem Gefängnis.«
    Zum ersten Mal seit Claires Eintreffen in Rikers Island sah sie Curtin tief in die Augen. Seiner Miene nach dachte sie, er würde sie anblaffen, weil sie die Antworten nicht wusste. Stattdessen suchte er sich ein anderes Ziel.
    » Natürlich haben Sie die Unterlagen nicht«, sagte er. » Sie lassen immer noch die Insassen die Anstalt leiten.«
    Claire wusste, dass dieses Klischee mehr als ein Körnchen Wahrheit enthielt. Tatsächlich entstammte es jenem Teil Curtins, von dem Claire von Beginn an gespürt hatte, dass er nicht nur aus oberflächlichem Gerede bestand, dem überzeugten Arzt in ihm, mit dem sich Claire identifizierte und den sie bewunderte.
    Sieben Jahre zuvor hatte die Stadt New York einen Vertrag mit dem größten kommerziellen Anbieter von Gesundheitsdiensten für Gefängnisse über die Führung der Krankenstation von Rikers Island geschlossen. Dessen Vorstellung von guter Patientenbetreuung bestand darin, gewissen Insassen neununddreißig Cent pro Stunde dafür zu bezahlen, dass sie ein Auge auf ihre
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