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Beuterausch

Beuterausch

Titel: Beuterausch
Autoren: Lucky Jack & McKee Ketchum
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Tag. Die Wellen plätscherten sanft.
    Der Picknickkorb mit Keksmännchen und knallroten kandierten Äpfeln stand zu ihren Füßen, und sie hatte zu Cindy schon gesagt, nein, sie müssten warten, bis sich die kandierten Äpfel aufgewärmt hatten, damit sie klebrig waren und zu tröpfeln begannen und leichter zu essen wären. Sie wollte gerade den Korb aufklappen, um ihr stattdessen einen Keks zu geben, als der Himmel dunkler und der Wind stärker wurde und der arme Teddy sich am Ruder abmühen musste. Und dann wurde es so dunkel, dass sie keinen von ihnen mehr sehen konnte. Als wäre sie allein.
    Aber sie war nicht allein. Das bemerkte sie, als das Boot anlegte und der Himmel ein wenig aufklarte und sie plötzlich alle mit ihr dort vor dem Schloss standen. Das Schloss war groß und hoch und alt und wirkte krumm, und Cindy hatte Angst, aber Darlin’ nicht.
    Wir machen unser Picknick da drin, sagte sie, und ehe sie sichs versah, waren sie in dem ebenfalls krummen, tollen großen Speisesaal, in dem eine lange weiße Tafel stand, deshalb stellte sie den Korb auf den Tisch, und alle setzten sich hin, während sie die Keksmännchen auspackte und die kandierten Äpfel, die immer noch nicht klebrig genug waren, sodass sie sie zurücklegte und allen einen Keks reichte.
    »Beiß zuerst die Köpfe ab, kleines Mädchen!«, erklang die Stimme. Es war die Hexe-die-sich-in-einen-Zauberer-verwandelt-und-dann-wieder-in-eine-Hexe-Stimme.
    Und sie wandten sich um und sahen sie ganz in Schwarz an einem tollen großen Kamin stehen, der vorher gar nicht dort gewesen war, und sie winkte ihnen mit ihrem krummen schwarzen Zauberstab und hatte lauter Zähne, die sich aus ihrem Mund zu biegen schienen wie schmutzige fiese Gabeln, aber noch während sie bei ihrem Anblick schrien, verwandelte sie sich in den Riesen, diesen flachköpfigen Mann mit spitzem Hut und hervorquellenden roten Augen, der Zauberstab wurde zu einem Knüppel von der Größe eines Tischbeins, und die Zähne bogen sich nach innen wie bei einem Hund.
    Er brüllte sie an, und sie rannten weg. Sie liefen aus der Tür, aber es war so weit bis zum Boot. Und Darlin’ hörte, wie sie sich wieder in eine Hexe verwandelte und ganz dicht hinter ihnen, erschreckend nah, mit ihrem schaurigen Lachen sagte: Ich habe immer noch den Zauberstab, kleines Mädchen! Ich habe immer noch den Zauberstab!
    Und sie wachte auf. Noch verängstigt, wie immer.
    Und da war das Haus. Ihr Haus. Zuhause.

3
    3
    Die Frau schläft neben der aufgehäuften Glut des Feuers auf dem mit dem Wolfspelz bedecktem Zweiglager.
    Ihr Schlaf ist unruhig.
    Jedoch nicht von Beginn an. Anfangs rennt sie durch ein Dickicht, tanzt fast durch das Dickicht, anmutig und voller Jagdeifer, die Augen geweitet, alle Sinne hellwach, ihre Beute im Blick. Außer dem Vieh sind alle anderen dabei, Zweitgeraubte steht mit dem Speer im Anschlag nur wenige Schritte hinter ihr. Die Frau spürt Stolz in sich aufwallen. Zweitgeraubte hat das Zeug zu einer Anführerin.
    Plötzlich schreit ein Baby, und sie ist zurück in der Höhle und paart sich mit Erstgeraubtem. Und wenn es auch nicht pures Vergnügen ist, so sind sein Stöhnen und Stoßen und der Geruch seines Schweißes hinter ihr doch zumindest vertraut. Nur das Babygeschrei ist ihr fremd. Das ist nicht ihr Baby. Auch nicht das von Zweitgeraubte. Sie kennt ihre Stimmen.
    »Babai«, sagt sie.
    Sie sieht sich im flackernden Licht nach dem Ursprung des Geräuschs um. Blickt vorbei an dem Haufen aus Äxten, Hämmern, Beilen und anderen Werkzeugen und Waffen. Vorbei am Feuer. Vorbei am Kleiderhaufen. Und schließlich findet sie es. Es hängt zwischen drei Häuten – Hase, Fuchs und Mensch – an der hinteren rechten Wand der Höhle. Ein Baby in seiner eigenen Pisse und Kacke in einer verknoteten durchsichtigen Plastiktüte. Das Baby zappelt und brüllt. Aber es ist tot.
    Allein in der neuen Höhle dreht die Frau sich im Schlaf um und stöhnt. Ihre Hand wandert zu der mit Kraut bedeckten Wunde an ihrer Seite. Sie macht eine Faust und bohrt sie hinein.
    Die Frau in ihrem Traum löst sich von Erstgeraubtem, stößt ihn zurück, trotz seines Protests, trotz seiner Erektion. Sie steht auf und geht zu dem Baby. Starrt es erstaunt an. Wie kann es lebendig und dennoch tot sein? Sie kann sein winziges, gegen die Tüte gedrücktes Gesicht sehen.
    Es knurrt sie an.
    Plötzlich erschüttern Schüsse die Höhle. Erstgeraubter wirbelt herum. Irgendwo schreit eine Frau. Eine andere Frau presst das Gesicht
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