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BETA (German Edition)

BETA (German Edition)

Titel: BETA (German Edition)
Autoren: Rachel Cohn
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Leinwand eurer Existenz nicht mehr völlig leer. Denn an dieser Pflanze kann jeder sofort erkennen, welche Rolle ihr hier auf Demesne einnehmt.«
    Auch diese Holografie verschwand, und beruhigende Musik setzte ein, die das Ende von Dr. Lusardis Einführungsvortrag untermalte.
    »Eure körperliche Erscheinung wird sich mit den Pflichten, die ihr hier zu erfüllen habt, wandeln«, verkündete sie. »Aber euer Auftrag wird immer gleichbleiben. Denkt stets daran: Ihr seid geschaffen, um zu dienen. Die Wissenschaft hat es möglich gemacht, die Körper eurer Firsts zu klonen, nachdem sie ihre Seele ausgehaucht haben; deshalb könnt ihr nun ohne Einschränkung dienen. Ihr habt keine eigenen Gefühle, darum könnt ihr den Menschen, deren Eigentum ihr seid, ungetrübt das verschaffen, wofür sie nach Demesne gekommen sind: Glück.«
    Wieder tauchten vor uns Holografien auf, menschliche Gesichter, unter denen glücklich, zufrieden, erfreut und alle Wünsche erfüllt stand.
    »Gesichter mit diesem Ausdruck sind das Ziel eurer Dienstleistungen für die Menschen«, sagte Dr. Lusardi. »Solche Mienen sind euer Daseinszweck. Ihr seid dafür da, euren Besitzern das Leben auf Demesne, in das von ihnen so viel investiert wurde, so angenehm wie möglich zu gestalten.«
    Nach unserem Orientierungskurs kehrten wir ins Wartezimmer zurück. Man sagte uns, dass wir noch eine letzte Nacht hier zu verbringen hätten, bevor wir am nächsten Tag unsere Pflichten aufnehmen würden – das betraf die beiden muskelbepackten Männer – oder zu Zwischenhändlern gebracht würden, wie das bei den beiden erwachsenen Frauen und mir der Fall sein sollte. Wir gingen zu Bett.
    Irgendwann mitten in der Nacht wachte ich plötzlich auf. Mein Mund fühlte sich trocken an.
    »Könnte ich bitte etwas Wasser haben?«, fragte ich den bulligen Klon, der uns von der Zimmerecke aus die ganze Zeit überwachte.
    »Am Ende des Flurs steht ein Trinkbrunnen«, sagte er und zeigte auf die Tür. »Beeil dich.«
    Ich huschte nach draußen und durch einen spärlich beleuchteten Flur, an dessen Ende ich den Trinkbrunnen sehen konnte. Plötzlich bemerkte ich eine Tür, die – anders als alle anderen, die ich bisher auf dem Laborgelände gesehen hatte – ein Glasfenster besaß, durch das ich in den Raum hineinblicken konnte. Auf dem Schild neben der Tür stand Krankenstation . Ich checkte das Wort auf meinem Chip und lernte, dass eine Krankenstation ein Ort ist, an den Geschöpfe mit Schäden oder Fehlfunktionen gebracht werden, damit sie repariert werden können.
    Ich spähte durch das Fenster. Der Raum glich dem Labor, in dem ich das erste Mal die Augen aufgeschlagen hatte, mit langen Metalltischen und medizinischen Apparaten. Auf den Tischen lagen Klone mit fuchsiaroten Augen, die offensichtlich ausgebessert werden mussten.
    Ich sah einen männlichen Klon, dessen Hände und Füße in Fesseln steckten und dem auf der Brust die Haut verbrannt wurde. Auf dem Tisch daneben saß ein weiblicher Klon, ebenfalls gefesselt, der im Gesicht blutete, während ein Laborarbeiter etwas untersuchte. In einer Ecke des Raums stand ein männlicher Klon an der Wand, die Arme über dem Kopf, Hand- und Fußgelenke in Fesseln; er wurde mit einer langen Metallstange durchlöchert und geschunden.
    Die Körper dieser Kranken hatten blaue Flecken und waren blutverschmiert, als hätte man sie geschlagen, und ihre Münder waren geöffnet, als wollten sie etwas sagen. Oder als würden sie schreien.
    Mein Herz klopfte heftig, meine Hände wurden feucht, und ich spürte, wie mir Schweißtropfen die Schläfen hinabliefen. Mein Körper reagierte mit Panik , dasselbe Gefühl wie in den Augenblicken, als ich auf dem Metalltisch im Labor das erste Mal zu Bewusstsein gekommen war.
    Ich drehte mich um und rannte in das Wartezimmer zurück, um mich schnell wieder ins Bett zu legen.
    Durst war vielleicht ein Zeichen einer körperlichen Fehlfunktion. Einen Schluck Wasser wollte ich jetzt nicht mehr trinken.

Drittes Kapitel
    W as sie über die Luft auf der Insel sagen, stimmt.
    Obwohl ich keinen Vergleich habe, glaube ich zu spüren, wie die mit Sauerstoff angereicherte Luft einem menschlichen Körper und einer menschlichen Seele ein beständiges Glücksgefühl verschaffen kann. Die Luft auf Demesne ist so weich, dass ich allmählich begreife, wie mit einer Seele ausgestattete Menschen hier jeden Antrieb verlieren können. Kein Wunder, dass die menschlichen Bewohner der Insel deshalb auf Klone angewiesen sind,
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