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BETA (German Edition)

BETA (German Edition)

Titel: BETA (German Edition)
Autoren: Rachel Cohn
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Schaumkronen. Wer im Meer von Ion schwimmt, verwandelt sich in ein besseres Wesen. Natürlich gilt das nur für Menschen, sie fühlen sich danach entspannt, erleuchtet, beseligt. Wunderschön!«
    Sie blickte uns an.
    »Und ratet, was noch? Weil nun schon der Ozean ringsum ein neues Biodesign erhalten hatte, beschloss man, auch gleich noch die Luft zu verbessern. Es wurde eigens ein Pumpensystem entwickelt, mit dessen Hilfe Premiumsauerstoff in die Atmosphäre von Demesne geblasen wird. Die süße, reine, milde Luft hier kann man andernorts nur in abgedichteten Containerhallen atmen. Auf Demesne jedoch umhüllt sie die ganze Insel. Ein Wunder, richtig? Richtig!«
    Kurzes Schweigen.
    »Wahrscheinlich denkt ihr jetzt: Demesne ist wirklich das Paradies, was könnte einem solchen Ort noch fehlen? Die Antwort darauf lautet: eine Klasse von Arbeitern und dienstbaren Geistern für die reichen Bewohner der Insel! Zimmermädchen, Butler, Köche, Bauarbeiter, alles, was es eben so braucht! Einen winzigen Fehler hat dieses Paradies nämlich: Aufgrund der besonderen atmosphärischen Bedingungen, die Demesne zu einem so herrlichen Ort machen, ist es gleichzeitig sehr aufwendig und kostspielig, hierher zu reisen. Und die, die trotzdem hergebracht wurden, fanden das Leben auf der Insel bald viel zu locker und zu entspannt, um noch arbeiten zu wollen! Was also tun?«
    Mein Chip teilte mir mit, dass sie darauf nicht wirklich eine Antwort hören wollte.
    »Die Gründer der Insel wussten die Lösung. Sie ließen ein großes Forschungslabor für die brillante Dr. Larissa Lusardi errichten, die Top-Expertin für das Klonen weltweit. Unter idealen Bedingungen kann sie nun hier auf der Insel ihre Experimente weiterverfolgen – und zugleich für die nötige Anzahl von Arbeitern sorgen, die auf der Insel für den technischen Unterhalt und sämtliche Dienstleistungen benötigt werden. Und ihr, meine lieben Freundinnen und Freunde, seid diese glücklichen Klone! Ihr seid aufgrund der Ästhetik eurer Firsts ausgewählt worden – der kurz zuvor ums Leben gekommenen Menschen, von denen man euch geklont hat. Dr. Lusardi hat eine patentierte Methode entwickelt, die es ihr ermöglicht, innerhalb von 48 Stunden nach dem Tod eines Menschen dessen Körper zu klonen. Wohlgemerkt, nur den Körper, nicht die Seele, die ihn ja bereits verlassen hat. Was für euch nur von Vorteil ist! Ihr müsst nicht die Last einer Seele mit euch herumschleppen! Ihr Glücklichen, wie ich auch! Ihr seid die Elite der Humanklone! Meinen Glückwunsch! Ihr verkörpert die Kraft und Schönheit, die unsere Insel auszeichnen. Ihr seid auserwählt, um auf dem schönsten Ort auf Erden zu dienen, umgeben von Reichtum und Luxus. Ein wahres Wunder, richtig? Richtig! Seid herzlich willkommen!«
    Als Mei-Xing uns zum Abschluss der Rede noch einmal willkommen hieß, tauchte in der Holografie eine Prozession von Klonen auf, deren Aussehen sämtliche Kontinente der Erde zu repräsentieren schienen. Alle winkten uns zu und riefen »Herzlich willkommen!«. Sie waren als Zimmermädchen, Butler, Köche, Physiotherapeuten, Golf- und Tennislehrer oder Glamouressen gekleidet, und wie bei Mei-Xing handelte es sich bei ihnen allen um erwachsene Exemplare, in ihren Zwanzigern oder Dreißigern. Alle hatten sie ausgesprochen schöne Körper, damit sie inmitten der Schönheit der Insel nicht unangenehm auffielen.
    Ich bin auch als Klon erschaffen worden. Ich gehöre zu ihnen, aber ich bin trotzdem anders. Ich bin ein Teenager.
    Ich stelle die Zukunft des Klonens dar.
    Nach der Holografie-Präsentation kam Dr. Lusardi in den Raum, um uns einen Vortrag zu halten. »Ihr müsst euch als leere Leinwand betrachten«, sagte sie. Ein Hilfsklon eilte herbei und teilte an uns alle Spiegel aus. »Blickt in diese Spiegel. Schaut auf eure Leinwand.«
    Ich blickte in den Spiegel und sah zum ersten Mal mein Gesicht. Ich hatte Augen, Ohren, Nase, Wangen, Lippen – die üblichen menschlichen Gesichtszüge, alles perfekt geformt und ästhetisch ansprechend. Auf der rechten Gesichtshälfte bemerkte ich das Tattoo, das mir von der Schläfe bis zum Wangenknochen aufgebracht war, eine stilisierte violette Schwertlilie. Ich fuhr mit den Fingerspitzen darüber und sah, wie die anderen Klone ihr Tattoo ebenfalls berührten und wie ich das Ornament auf der Haut zu ertasten versuchten. Wir alle wollten spüren, ob die Tattoos eine Textur hatten. Hatten sie nicht.
    »Ihr mögt vielleicht wie Menschen aussehen«, sagte Dr.
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