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Bestiarium

Bestiarium

Titel: Bestiarium
Autoren: Michael Tobias
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Gefühl des Déjà-vu. Edward hatte Martin, als er genauso alt war, die gleiche Anekdote erzählt.
    Das letzte Buch, von dem er sich erinnern konnte, es von seinem Vater zum Geburtstag geschenkt bekommen zu haben, war eine besonders schöne Ausgabe von Alice im Wunderland. Er erinnerte sich voller Wärme an die darin geschilderte verrückte Welt, die einen willkommenen Gegensatz zu dem aufgezwungenen Formalismus darstellte, dem man ausgesetzt war, wenn man in einem atypischen englischen Haushalt aufwuchs, in dem die Eltern zur geistigen Elite gehörten und sehr oft auf Reisen waren und hohe Erwartungen in ihren Sohn setzten.
    »James. Was für eine Überraschung«, meldete Martin sich kühl. Er konnte seine Reaktion auf die Stimme seines Onkels nicht unterdrücken, da sie ihn augenblicklich in eine einsame Kindheit mit einem häufig abwesenden Vater und Onkel zurückwarf. Ihre Anteilnahme an seinem Leben konnte nach den exzentrischen Geschenken bewertet werden und nach nur wenig anderem.
    Martin konnte in der Stimme Unsicherheit und Bedrücktheit sowie ein Zögern und noch etwas anderes hören, das ihm völlig fremd war. »Mein lieber Junge.«
    Als James diese fast zärtlichen Worte aussprach, erschrak Martin unwillkürlich. »Was ist los? Du klingst ja schrecklich.«
    »Ich habe einige schlimme Neuigkeiten.«
    Martin sagte zuerst nichts, dann gab er sich einen Ruck: »Okay?«
    »Dein Vater ist tot.«
    Martin ließ sich langsam in seinen kostbaren japanischen, mit Seide bezogenen Teakholzsessel aus dem 18. Jahrhundert sinken, den er bei einer Auktion erstanden hatte, und starrte für einen kurzen Moment auf das Schnurlostelefon, das er auf Armeslänge von sich weghielt. »Martin, bist du noch da?«
    »Ja, ich höre. Was ist geschehen?«
    »Ich kann jetzt keine Einzelheiten erzählen. Nicht am Telefon.« Martin konnte ein unterdrücktes Schluchzen hören, als ob James in Panik wäre. »In Ordnung. Ich komme. Wo bist du?« Martin holte seinen Montblanc-Füller und sein mit seinem Monogramm versehenes Notizbuch aus der Westentasche, um die Wegbeschreibung zu notieren. »Du musst jetzt genau zuhören. Und bitte stell keine Fragen.«
    »Das klingt ein wenig unheimlich, James.«
    »Hör einfach zu.«
    »Und?«
    »Du musst davon ausgehen, dass du verfolgt wirst.«
    »James, jetzt wird es wirklich seltsam.«
    »Keine Fragen.«
    »Verfolgt von wem?«
    »Das weiß ich nicht. Du musst alleine kommen. Und kein Wort zu Anthony. Die Familie wird noch genug Zeit haben, das Ganze zu verarbeiten, aber nicht jetzt. Schreib auf: Das Herz des Big Apple, aber eine kleine Stadt. Spiel damit herum und wähle die östlichste Möglichkeit. Geh auf der einzigen gepflasterten Straße nach Nordosten. Wenn du zur ersten Konditorei gelangst, übermorgen, gegen Mittag, dann bleib in deinem Wagen sitzen, und damit meine ich deinen eigenen Wagen und keinen Mietwagen.« Martin schrieb eilig mit. Big Apple ... spielen ... Konditorei ... »Okay, hast du meine E-Mail-Adresse?«
    »Nein.«
    »Es ist der Name meiner Firma, mein Name mit einem Punkt zwischen Vor- und Nachname, da du so geheimnisvoll tust, weiß Gott warum.«
    »Du wirst sie ändern. Geh zu Earth-friendly. Der Name des Mannes rückwärts, dessen Erinnerungen im dritten Teil des Gallinaceus -Bandes enthalten sind.«
    »Warte mal. Wovon sprichst du? Du redest zu schnell. Wiederhol alles noch mal.«
    »Denk nur an das Buch mit den Tauben.«
    »Tauben? Mein Gott, James, wovon redest du?«
    »Von dem Nachschlagewerk, das du gekriegt hast, als du neun oder zehn warst.«
    »Wie viele Bände?«
    »Vierzig«, konnte James sich genau erinnern.
    »In Ordnung«, sagte Martin. »Und was soll ich nun tun?«
    »Verdammt, Martin. Du passt nicht auf.«»Ich passe auf. Aber du ...« Er war ehrlich entrüstet. Beruhige dich, Martin. Sein Kopf summte.
    »Der Name des Mannes, dessen Erinnerungen es sind, am Anfang des Tauben-Buches. Und dann geh auf den Earth-friendly-Server. Verstanden?«
    Martin schrieb hektisch mit und benutzte eine Kurzschrift, die er schon beim Schreiben selbst nicht mehr lesen konnte.
    »Earth-friendly? Ich habe keine Ahnung, was du meinst.«
    »Ein ganz spezieller E-Mail-Server. Du hast sicher schon davon gehört.«
    »Ach ja. Ich glaube, ich weiß, was du meinst. Aber ... all dieses andere Zeug. Galli ... Was immer das war.«
    »Gallinaceus. Das sind Hühnervögel. Auch Tauben gehören dazu.«
    »Prima. Der Name des Autors rückwärts buchstabiert. Das habe ich.«
    »Hast du die Bücher
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