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Bestiarium der deutschen Literatur (German Edition)

Bestiarium der deutschen Literatur (German Edition)

Titel: Bestiarium der deutschen Literatur (German Edition)
Autoren: Fritz J. Raddatz
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daß die jüngste Tochter eines Hofes, auf dem der Vogel nistet, von der Auszehrung befallen wird. Ein jüdischer Staatsmann Südosteuropas hatte zur Zeit des Sechstagekrieges eine Studie in Auftrag gegeben, ob man das unheimliche Tier nicht zur Bekämpfung der Palästinenser außer Landes bringen könnte. Geheimpolizisten berichteten glaubhaft, daß sie kurz nach diesem Beschluß ein großes, schwarzgesprenkeltes Bernhard-Ei im Garten des Regierungs-Palais fanden, das, von einem Sprengkommando in die Luft gejagt, wochenlang pestilenzartigen Gestank verbreitete.

Biermann, der
    Eichenprozessionsspinner. Raupe, die Deutschland in Angst und Schrecken versetzt. Spezialtrupps fliegen Hubschraubereinsätze, versprühen Gift, gelegentlich werden gar Flammenwerfer eingesetzt; denn die nur 4 Zentimeter lange Raupe, deren samtartig behaarte Rückenfelder und rötlich schimmernde Warzen das Tier possierlich wirken lassen, befällt vor allem die deutsche Eiche. Man spricht von einem musikalisch rhythmisierten Gänsemarsch, bei dem Stämme und Zweige des deutschen Symbolbaums auf der Nahrungssuche erklommen und kahlgefressen werden. In ihrer Gier nach Eichenlaub und durch eine schier unglaubliche Vermehrung können sie ganze Wälder vernichten. Die feinen Brennhaare auf dem Körper der Raupe erzeugen ein wundersam zirpendes Geräusch, das Menschen dazu verführt, sie zu berühren; sie enthalten aber ein hochwirksames Nesselgift, dessen Name Thaumetopoein wie die altmodische Bezeichnung für ein Lauteninstrument klingt. Doch Vorsicht ist geboten: Die nur scheinbar sanften 600   000 Brennhaare der erwachsenen Raupe schütten für jeden Bewunderer einen Cocktail aus entzündungserregenden Substanzen aus: Statt Applaus ergibt sich eine Raupendermatitis.

Böll, das
    Gehört zur Gattung der Panzernashörner. Ursprüngliche Heimat ist Nepal. Auf bisher ungeklärte Weise in die Rheingegend gelangt. Das bis zu 40 Zentner schwere Tier gilt als generell gutartig und wird nur in gereiztem Zustand – zum Beispiel wenn es ein BILD sieht – aggressiv, dann allerdings nachtragend und unversöhnlich. Wenn das Böll sich wohl fühlt, wälzt es sich im Schlamm – was ihm irrtümlich als Nestbeschmutzung angelastet wird. Die Massigkeit seines Körpers täuscht, das Tier ist zu überraschend zierlichen Bewegungen fähig und gilt als sehr gelehrig; die wissenschaftliche Literatur hat für seine Trippelschritte – meist von langem Gähnen begleitet – den Begriff «Satire» geprägt. Trotz seines BILD-Hasses wird das Böll oft und gern in Filmaufnahmen festgehalten und in zahlreichen Variationen in alle Welt exportiert. Erst ein unwilliges Grunzen und Zähnefletschen hinderte die deutsche Goethe-Haus-Organisation am weiteren Export des nebst Lederhosen, Bier und VW populärsten deutschen Nachkriegsvorkommens, dessen List man – obwohl ursprünglich nicht am Rhein beheimatet – gern als «typisch katholisch» anpries.

Brasch, der
    Eine ursprünglich aus dem Lech bei Augsburg stammende Abart des Barschs, die sich zumeist in Bach-Tälern aufhält und deren eigenartige bartähnliche Maserung von den Kiemen abwärts die Aggressionslust seiner Artgenossen fördert. Der Fisch liebt es, durch starke Schläge der ausgeprägten Schwanzgräte in Flüssen und Flußschnellen stromaufwärts zu schwimmen, was man sonst nur von laichenden Lachsen kennt und was ihm den Namen «Unterwasseranarchist» eingetragen hat, zumal er sich – nicht nur zur Brutzeit – ausgesprochen einzelgängerisch verhält: Man hat ihn noch nie in Schwärmen auftauchen sehen, und selbst der Versuch, ihn an feste Futterplätze zu gewöhnen, scheiterte. Beobachtet wurde dagegen, daß junge, aber ausgewachsene Exemplare sich raubfischartig auf die Eltern stürzten und in wütender Kampfart Zierfische aus ihrem Bereich vertrieben. Gefürchtet bei Schwänen und Enten, denen er in die Schwimmhäute zu beißen pflegt. Unschmackhaft.

Braun, der
    Beutelmull. Gewissermaßen ein Maulwurf, von diesem unterschieden durch ein goldgelb schimmerndes seidiges Fell. Die Fortbewegungsweise des mit Grabenkrallen ausgestatteten und gegen Ostwinde höchst empfindlichen Notoryctes wird als «Sandschwimmen» bezeichnet. Damit soll charakterisiert werden, daß das kälteempfindliche Tier (in Wandlitz wurde es bei 15,6   °C zitternd beobachtet) sich gegen viele Widerstände zu behaupten und trotz oder mit Hilfe eines Hornschildes über der Nase und seiner nur scheinbar fellüberzogenen Augen
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