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Beruehre meine Seele

Beruehre meine Seele

Titel: Beruehre meine Seele
Autoren: Rachel Vincent
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Fall passieren? Ich quasselte mich um Kopf und Kragen und wurde achtkantig rausgeworfen. Tja, selbst wenn, dieses peinliche Erlebnis würde mir kaum länger als sechs Tage nachhängen, nicht wahr? Und danach wäre sowieso alles egal.
    Im Krankenhauszimmer war es kühl, und ein steriler Geruch lag in der Luft. Die einzige Beleuchtung bestand aus einer Leuchtstoffröhre über dem Bett. Danica lag schlafend auf der rechten Seite, mir zugewandt. Sie sah blass und unheimlich zerbrechlich aus unter der dünnen Decke. Viel zu jung, um Mutter zu werden. Nicht, dass es jetzt noch eine Rolle spielte.
    Ich beobachtete sie mehrere Minuten lang, wie sie da so lag und schlief, und dachte darüber nach, was für unterschiedliche Leben wir doch führten. Sie war mir offensichtlich um mindestens eine Erfahrung voraus, die letztendlich zu einer Schwangerschaft geführt hatte – noch etwas, das ich niemals erleben würde – und einem Verlust, den ich nie wirklich nachempfinden könnte.
    Aber Danica würde weiterleben. Sollte sie eines Tages ein Kind bekommen wollen, stünde es ihr jederzeit frei, es noch einmal zu versuchen, wann immer sie sich bereit dazu fühlte.
    Mir nicht. Mir blieb keine Zeit für irgendetwas. Keine ersten Male mehr, nur ein einziges letztes. Meine Zeit war fast abgelaufen, die Uhr tickte.
    Was in aller Welt machte ich eigentlich hier? Ich konnte Danica nicht helfen. Und es ging mich überhaupt nichts an, wer nun der Vater des Kindes war, selbst wenn Sabine mit ihrem Verdacht richtiglag und es tatsächlich ein Lehrer sein sollte. Ich benutzte Danica bloß als Ausrede, um mich vor meinen eigenen Problemen zu drücken, und das war nicht fair. Weder ihr noch mir selbst gegenüber.
    Zum einen beschämt, andererseits auf irrationale Weise wütend, beschloss ich, schnell wieder zu verschwinden. Ich hatte schon eine Hand auf den Türdrücker gelegt, als hinter mir eine Bettfeder quietschte.
    „Sie sind nicht die Nachtschwester.“
    Ich drehte mich langsam um, überrascht und nervös zugleich. Was sollte ich denn jetzt machen? Wie meine Anwesenheit hier erklären? Danica und ich waren nicht befreundet. Ich hatte weder etwas Ähnliches wie sie durchgemacht noch kluge Ratschläge in dieser Sache zu geben. Ich steckte einfach meine Nase in fremde Angelegenheiten und war dabei erwischt worden.
    „Kaylee Cavanaugh?“ Danica blinzelte in die Schatten, die ihr Bett umgaben, und ich nickte.
    „Ja. Hi.“
    „Was willst du hier?“
    „Ich habe … jemanden besucht. Und dann ist mir eingefallen, dass du ja auch im Krankenhaus bist, und ich dachte, ich schau mal vorbei.“
    Sie lächelte nicht oder winkte mich zu sich heran. Aber sie rief auch nicht nach der Schwester, damit die mich vor die Tür setzte. „Ist es nicht ein bisschen spät für Besuche?“
    Ich zuckte mit den Schultern und ging auf sie zu, die Hände in den Taschen. „Den Krankenhausvorschriften nach bestimmt, aber ich kann gern noch ein Weilchen bleiben, wenn du willst. Na ja, bis ich geschnappt werde.“
    Danica starrte verbissen auf ihre Hände, die sie ineinander verschränkt hatte, und ich konnte ihr ansehen, dass sie kurz davor war, mir zu sagen, ich sollte die Kurve kratzen. Doch dann sah sie hoch, und in ihren Augen glitzerten Tränen. Da wurde mir bewusst, dass ihre Probleme vielleicht doch gar nicht so viel anders oder weniger schlimm waren als meine. Vielleicht war es für sie sogar noch schlimmer – immerhin wäre mein Leid in ein paar Tagen vorbei. „Ja, klingt gut. Wenn’s dir nichts ausmacht.“
    Ich setzte mich auf den Stuhl am Fenster. Wir vermieden es, einander in die Augen zu sehen, unsicher, worüber wir reden sollten. Schließlich fuhr Danica mit einem Knopfdruck das Kopfteil ihres Bettes hoch, lehnte sich in ihr Kissen und drehte sich zu mir. „Tja, ich vermute mal, in der Schule wird fleißig über mich getratscht, nicht?“
    „Ich will’s mal so ausdrücken … die üble Niederlage des Mädchenbasketballteams im Viertelfinale ist nicht mehr das Thema Nummer eins.“
    Danica nickte langsam. „Und, was erzählen die Leute so?“
    „Die krasseste Theorie, die ich bis jetzt gehört habe, ist, dass du Darmkrebs hast und es nicht mehr lange machst.“ Ich zuckte erneut mit den Achseln. „Aber die meisten sind der Meinung, du hättest eine Fehlgeburt gehabt.“ Was ich mit absoluter Sicherheit wusste.
    Danica wischte sich mit beiden Handrücken die Tränen ab. „Mist, die ganze Lage ist so was von verkorkst. Echt, ich komme mir vor
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