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Berthold Beitz (German Edition)

Berthold Beitz (German Edition)

Titel: Berthold Beitz (German Edition)
Autoren: Joachim Käppner
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Gutshaus, einem langgestreckten Gebäude mit hohen Flügelfenstern und großen Klappläden, ein großes Walmdach reicht fast auf Mannshöhe hinunter. Erst 1923 wird die barocke Anlage durch ein größeres Haus ersetzt, das den Herrschaften von Sobeck zeitgemäßer und repräsentativer erscheint.
    In der Geschichte hinterlassen Orte wie Zemmin wenig Spuren. Dabei sind sie es, die unter den Versuchen der großen Männer, Geschichte zu machen, leiden. In den Jahrhunderten seit den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges kommen und gehen die Herrscher und Heere – Schweden, Preußen, Franzosen. Während der Napoleonischen Kriege vermerkt die Familienchronik über die Lage des Zemminer Gutsherren von Parsenow: »Er hatte durch die durchziehenden Truppen sehr zu leiden, so daß er immer wieder von neuem ausgeräubert wurde und alles hergeben mußte, was er besaß und wieder herbeischaffte.« Seinen Bauern und Tagelöhnern dürfte es kaum besser ergangen sein.
    Zu den bedeutendsten Momenten der Dorfgeschichte gehört jener Abend im Jahre 1789, als der spätere Dichter Ernst Moritz Arndt aus dem Stralsunder Gymnasium flüchtete und das wahre Landleben suchte, da er fürchtete, andernfalls »zu einem weichlichen und liederlichen Lappen zu werden«. Er »ging also längs der Peene hin auf mehrere Rittersitze oder Pachthöfe, fragend, ob sie nicht irgendeinen jungen Schreiber oder Rechnungsführer nötig hätten. Nachdem ich so mehrere Nein entgegengenommen hatte, kam ich nachmittags zu Zemmin an, wo ein alter Hauptmann von Parsenow wohnte. Dieser empfing mich auf meine Frage sehr freundlich, ließ mir sogleich Speise und Trank auftragen und ein nettes Schlafzimmerchen anweisen, unterhielt sich dann des breiteren mit mir und erklärte, ich gefalle ihm und er wolle mich gern behalten, wenn mein Vater einwillige.« Der aber dachte nicht daran und schickte stattdessen einen Wagen, um den irregeleiteten Jüngling heimzuholen in die Hallen humanistischer Lehre, und so versank Zemmin wieder im Dunkeln der Geschichte.
    Das Gut, geziert von einem parkartigen Garten, befindet sich gegen Ende der Kaiserzeit, kurz vor dem Ersten Weltkrieg, im Besitz der Barone von Sobeck, alteingesessenen Großgrundbesitzern. Axel Freiherr von Sobeck, geboren 1848 und ordensgeschmückter Veteran des deutsch-französischen Krieges von 1870/71, verfügt über 637 Hektar Ackerland, Wald und Weiden, 40 Pferde und 150 Stück Rindvieh. Für die Sobecks ist es mehr als nur eine von vielen Besitzungen, denn bei der Dorfkirche, einem würdevollen, schlichten Feldsteinbau aus dem 15. Jahrhundert, steht die Familiengrabstätte, ein hübsches, klassizistisches Mausoleum mit Kuppel und griechisch anmutenden Säulen.
    Um die Güter kümmert sich ein Verwalter, der auf dem Gelände wohnt: Karl Stuth. Er hat die Arbeit der Knechte, Mägde und Tagelöhner zu organisieren, ist für die Ernte des Getreides und der Kartoffeln verantwortlich und mancher üblen Stimmung der Gutsherrschaft ausgesetzt. Und hier im Verwalterhaus kommt am 26. September 1913 das erste Kind eines jungen Ehepaares zur Welt. Die beiden nennen den Jungen Berthold. Die Mutter Erna ist 1892 geboren worden, als eines von acht Kindern des Gutsverwalters. Erna Stuth ist Kindermädchen beim Ulanen-Rittmeister Johannes Freiherr von Bellersheim im nahen Demmin gewesen, wo sie beim Tanzen Erdmann Beitz, einen gutaussehenden Wachtmeister der Ulanen, kennen und bald lieben lernt. Die Ulanen, das sind die Kavalleristen in ihren schönen, farbenprächtigen Uniformen. Bei Paraden tragen sie goldene Knöpfe auf blauem Rock und einen Busch aus weißem Rosshaar auf den Helmen. Erdmann wurde 1888 als Sohn eines Ackerbürgerpaars aus Treptow geboren. Die Familie Beitz lebte bei der Stadt, aber überwiegend von der Landwirtschaft – wie viele Menschen in Pommern. Erdmann Beitz ist ein sensibler, ruhiger Mann, der im Militärorchester Trompete spielt. Er dient im 2. Pommerschen Ulanen-Regiment Nr. 9, das in Demmin stationiert ist.
    Berthold ist noch kein Jahr alt, da reitet der Vater mit Lanze und Gewehr in den Krieg. Sein Regiment nimmt Abschied mit klingendem Spiel und wird von der Demminer Bevölkerung umjubelt. Die Kavalleristen haben nun keine bunten Röcke mehr, sondern feldgraue Uniformen. Viele von ihnen werden nicht zurückkehren. Erdmann Beitz wird mit Beginn des Weltkriegs ins ostpreußische Insterburg versetzt, anfangs geht Erna mit, und der kleine Berthold bleibt bei der sehr warmherzigen Großmutter.
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