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Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)

Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)

Titel: Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik (German Edition)
Autoren: Thomas Schuler
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Dahinter stand die Idee, dass Stiftungen dem Allgemeinwohl nicht mehr dadurch dienten, dass sie starke Institutionen aufbauten, sondern dadurch, dass sie bestehende Institutionen infrage stellten. Die Bertelsmann Stiftung hat dieses Verständnis übernommen. Mohn ließ sich von der Ford Foundation inspirieren, sagt Siegfried Luther, der mit Mohn das Modell der Bertelsmann Stiftung ausarbeitete. Es war gar nicht nötig, dass er sich persönlich in den USA erkundigte. In Unternehmenskreisen und vor allem bei Steuerberatern sprechen sich solche Modelle schnell herum. Die Trennung von Kapital- und Stimmrechten war Mohn ja von seinen Mitarbeiterbeteiligungsmodellen vertraut.
    In späteren Jahren erhielt die Bertelsmann Stiftung noch weitere Vorbilder. Neben der Ford Foundation sind das die Carnegie Corporation und die Brookings Institution. Denn die Bertelsmann Stiftung ist viel mehr als eine Stiftung. Ihren Einfluss gewinnt sie, weil sie Politiker und Beamte aktiv anspricht und mit Studien versorgt und dann gemeinsam Pilotprojekte konzipiert, die sie finanziert. Die Zahl ihrer Mitarbeiter beträgt mehr als das Dreifache der Robert Bosch Stiftung – der größten Stiftung in Deutschland, wenn man den Rankings des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen folgt. Die Robert Bosch Stiftung hat 100 Mitarbeiter, während die Bertelsmann Stiftung 330 Mitarbeiter hat.
    In Wirklichkeit sind es jedoch noch mehr, weil die Bertelsmann Stiftung für bestimmte Fachbereiche eigene Institute gegründet oder an Universitäten ausgelagert hat: Dazu zählen das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), das Centrum für Krankenhaus Management (CKM) und das Centrum für angewandte Politikforschung (CAP). Zusammen beschäftigen diese Institute mehrere Dutzend Mitarbeiter. Das heißt: die eigentliche Zahl der Mitarbeiter der Bertelsmann Stiftung liegt irgendwo zwischen 300 und 400. (Das CAP und das CKM arbeiten mittlerweile eigenständig und vollkommen unabhängig von der Stiftung.)
    Mit diesem Stamm an Mitarbeitern, die aufgrund ihres Fachwissens, aber auch aufgrund ihrer Kontakte von der Stiftung beschäftigt werden, die sich vernetzen und mit Stiftungen und Instituten kooperieren, verfügt die Bertelsmann Stiftung über eine Truppe an hoch spezialisierten Fachleuten, die Behörden, Apparate und Ministerien betreuen. Fachleute, die es sich leisten können, langfristig an Themen zu arbeiten, die Studien anfertigen, in die Schublade legen und auf Gelegenheiten warten können, bis diese Studien nachgefragt werden und zu neuen Projekten und Modellversuchen führen. Die Stiftung kann mit dieser Personaldecke, wie es Die Zeit einmal formulierte, auf geduldige Art Felsen sprengen.

Horst Teltschik macht die Stiftung unter Politikern bekannt
    Um Politikberatung zu betreiben, muss die Stiftung von Politikern ernst genommen werden. Aber Bundeskanzler Helmut Kohl war nicht gut auf Bertelsmann zu sprechen. Er fühlte sich von Stern und Spiegel falsch beschrieben und war gekränkt. Die Hamburger Magazine Stern und Spiegel betrieben »Schweinejournalismus«, sagte er, wie sich Spiegel -Reporter Hans-Joachim Noack erinnert. Einmal wurde er gefragt: Könne er die Hamburger Zeitschriften nicht differenzierter betrachten? Kohls Antwort: »Der Spiegel ist ein Schweineblatt und der Stern ist ein Verbrecherblatt. Das ist doch differenziert.«
    Die Gekränktheit übertrug Kohl auf Bertelsmann. Er rechnete das Unternehmen zu den Hintermännern des Hamburger »Schweinejournalismus«, schließlich gehört Gruner + Jahr zu Bertelsmann. Wer will ihm dieses Denken verübeln? Für Kohl und für viele andere Politiker war schwer zu verstehen, dass Mohn sich einerseits wirtschaftlich und publizistisch durchsetzte, aber angeblich nicht in redaktionelle Belange eingriff. Sie zweifelten an der Glaubwürdigkeit des Verlegermodells des Großverlags, das Mohn postulierte und wonach er sich angeblich inhaltlich nicht einmischte. Mohn benutzte das Modell als Begründung für die Expansion seines Unternehmens und als Argument gegen Kritik an Medienkonzentration.
    Aber trotz der ablehnenden Haltung wollte Reinhard Mohn Zugang zu hochrangigen Politikern. Er wollte mit seiner Stiftung ernst genommen werden. Wie kann er den Einfluss der Stiftung erhöhen? Wie kann er sich unter den Politikern Gehör verschaffen? Wie bekommt er Zugang in ihre höchsten Reihen? Vermutlich hat Mohn erneut das Beispiel einflussreicher Stiftungen in den USA studiert. Die Ford Foundation erwarb sich das
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