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Bernstein Verschwörung

Bernstein Verschwörung

Titel: Bernstein Verschwörung
Autoren: Andreas Schmidt
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Ungetüm in den Tunnel. Wie eine schwarze, nicht endende
Wand schob sich der Koloss immer tiefer in den Berg hinein. Dass
sich das Stahltor hinter dem Zug wie von Geisterhand wieder
schloss, konnte der Mann im Führerstand nicht
sehen.
    Es war, als hätte
der Berg einen ganzen Zug verschluckt. Das Ziel war erreicht,
dachte der Mann zufrieden. Es war, als hätte die Erde den
Güterzug verschlungen. Niemand ahnte, was hier vor sich ging.
Niemand ahnte, dass der Berg unter dem Gebäude der
Konsumgenossenschaft ab sofort ein
geschichtsträchtiges Geheimnis tragen würde, dem Forscher
auf der ganzen Welt in den nächsten Jahrzehnten vergeblich
hinterherjagen sollten.

 
    Mittwoch
    ____________

 
    Eins
    Gegenwart,
Grönhoffstraße, 18.50 Uhr
    Ein eisiger Wind fegte
ihm den Regen ins Gesicht, als er am späten Nachmittag vor die
Haustür trat. Von der Grönhofstraße war es ein
Katzensprung zur Völklinger Straße. Die
Hünefeldstraße verlief in diesem Bereich fast parallel
zur Wupper. Nur wenige heruntergekommene Häuserblocks trennten
die Straße vom Fluss. Unterbarmen ertrank, wenn das so
weiterging.
    Missmutig klappte er
den Kragen seiner Jacke hoch und versenkte die Hände in den
Taschen seiner Jeans. In solchen Augenblicken verfluchte er, als
400-Euro-Schuhverkäufer nicht genügend Geld für ein
eigenes Auto zu verdienen. Immerhin machte er auf der Abendschule
das Abitur nach. Somit konnten seine Eltern wenigstens etwas stolz
auf ihren einzigen Sohn sein. Arzt, wie sie es sich vorgestellt
hatten, war er zwar nicht geworden, aber immerhin würde er mit
dem Abi in der Tasche studieren können.
    Er hatte sich nicht
den Verstand weggesoffen, er hatte sich nicht das Gehirn mit Joints
weggeblasen, so wie viele seiner Freunde.
    Er war sich immer treu
geblieben, das war es, worauf er selbst ein wenig stolz
war.
    Doch das alles
änderte nichts an seiner augenblicklichen Gemütslage. Es
regnete seit Stunden, und er dachte an den alten Spruch: Wer in
Wuppertal geboren wird, kommt mit einem Regenschirm zur Welt. Er
wandte sich um und blickte an der Fassade des Hauses empor. Die
Bude war kein Schloss, aber die Miete war erschwinglich. Mehr
zählte nicht. Es würden auch bessere Zeiten kommen,
vielleicht schon bald. Daniel Mehrmann zog den Kopf zwischen die
Schultern und schlug die Kapuze seines Shirts über den Kopf,
bevor er sich auf den Weg zur Schwebebahnstation machte. Auf dem
schmalen Bürgersteig der Hünefeldstraße wich er den
Hundehaufen aus. Braune Ränder an den Schuhen waren so
ziemlich das Letzte, was Mehrmann jetzt gebrauchen konnte. Nicht
jetzt, nicht vor dem Videodreh. Immer wieder rollten Autos an ihm
vorüber. Das Surren der Reifen auf der regennassen Fahrbahn
wirkte fast einschläfernd. Das Scheinwerferlicht spiegelte
sich auf der Straße. Er fröstelte und wich den
Pfützen aus, die sich auf dem Bürgersteig gebildet
hatten. Der junge Mann war spät dran, also beschleunigte er
seine Schritte und erreichte schon bald die Völklinger
Straße. Hier spannte sich die kleine Brücke über
den schwarzen Fluss, wie die Wupper oft genannt wurde. Quer zur
Brücke verlief das lindgrüne Gerüst der Schwebebahn,
linker Hand lag die Station. Mehrmann liebte das Wahrzeichen, es
bedeutete ihm viel mehr als nur ein Fortbewegungsmittel zu sein:
Die Schwebebahn war für ihn ein Stück Heimat. Er war
froh, dass die Station Völklinger Straße trotz der
Modernisierung originalgetreu erhalten blieb. Die Haltestelle stand
wohl unter Denkmalschutz. Ihm konnte es recht sein; liebte er die
alten Stationen doch viel mehr als diese futuristischen
Haltestellen, die sie jetzt überall anstelle der alten
Jugendstil-Stationen errichteten. Transparent, modern,
behindertengerecht. Tolle Argumente, doch Mehrmann fürchtete,
dass das Wahrzeichen seiner Heimatstadt bald schon ihr Gesicht
verlieren würde.
    Das alles ging ihm
durch den Kopf, als er, stets zwei Stufen auf einmal nehmend, den
Bahnsteig in Richtung Oberbarmen erreichte. Gerade
rechtzeitig, denn die eiserne Konstruktion über seinem Kopf
vibrierte bereits; ein untrügliches Zeichen dafür, dass
sich die Bahn näherte. Tatsächlich vergingen nur wenige
Sekunden, bis der orange-blaue Zug aus Richtung Westen in die
Station einlief. Auf dem Bahnsteig herrschte kaum Betrieb. Eine
südländisch aussehende Frau Anfang zwanzig mit hohen
Wangenknochen und ein gebückt dastehender, alter Mann im
grauen Zweireiher erwachten zum Leben, als die Bahn in die Station
rollte. Ein gelangweilt
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