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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde
Autoren: Philip Kerr
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Lattenzaun, während in der Ecke meines Schlafzimmers bereits der Sack mit Gips vom schwar zen Markt darauf wartete, die Löcher im Zimmer zuzu schmieren. Es gab nur wenige Leute, mich eingeschlossen, die nicht glaubten, daß Stalin nicht etwas Ähnliches mit Ber lin vorhatte, nämlich den kleinen Flecken der Freiheit zuzu decken.
    Ich stieg auf meiner Seite aus dem Bett, wusch mich in einer Schüssel, zog mich an und ging in die Küche, um etwas zum Frühstück zu suchen.
    Auf dem Tisch befanden sich Lebensmittel, die am Abend vorher nicht dort gewesen waren: Kaffee, Butter, eine Büchse Kondensmilch und ein paar Tafeln Schokolade - alle aus einem der PX-Läden, den einzigen Geschäften, die alles hat ten und in denen nur amerikanische Militärangehörige kau fen durften. Die Rationierung bedeutete, daß die deutschen Geschäfte, kaum waren sie beliefert worden, schon wieder leer waren.
    Jede Nahrung war willkommen: mit Lebensmittelkarten, die sich pro Tag für Kirsten und mich auf weniger als 3500 Kalorien beliefen, waren wir oft hungrig - ich hatte seit dem Ende des Krieges mehr als fünfzehn Kilo Gewicht verloren. Andererseits hatte ich meine Zweifel an Kirstens Methode, diese zusätzlichen Nahrungsmittel zu ergattern. Doch für den Augenblick schob ich meinen Argwohn beiseite und röstete ein paar Kartoffeln mit ein paar Körnern Ersatzkaffee, um ihnen ein bißehen Geschmack zu geben.
    Durch den Geruch der Bratkartoffeln aufgeweckt, erschien Kirsten in der Küchentür. «Reicht's für zwei?» fragte sie.
    «Natürlich», sagte ich und stellte ihr einen Teller hin. Jetzt bemerkte sie die Schwellung in meinem Gesicht.
    «Mein Gott, Berni, was, zum Teufel, ist mit dir passiert? »
    «Ich hatte letzte Nacht einen Zusammenstoß mit einem Iwan.» Ich ließ sie einen kurzen Augenblick mein Gesicht betasten und ihre Sorge demonstrieren, bevor ich mich setzte, um zu essen. «Der Halunke versuchte, mich auszu rauben. Wir prügelten uns 'ne Weile herum, und dann haute er ab. Ich glaube, er muß am Abend sehr fleißig gewesen sein. Er ließ ein paar Uhren zurück.» Ich würde ihr nicht sagen, daß er tot war. Es hatte keinen Sinn, wenn wir beide Angst hatten.
    «Ich habe sie gesehen. Sehen hübsch aus. Müssen ein paar tausend Dollar wert sein.»
    «Ich werde heute morgen zum Reichstag gehen und sehen, ob ich nicht ein paar Russen finde, denen ich sie verkaufen kann.»
    «Paß bloß auf, daß er nicht herkommt und nach dir sucht.»
    «Keine Sorge. Das geht schon in Ordnung.» Ich spießte ein paar Kartoffeln auf die Gabel, nahm die Büchse mit ame rikanischem Kaffee in die Hand und starrte sie teilnahmslos an. «Ein bißehen spät bist du letzte Nacht gekommen, stimmt's? »
    «Du hast geschlafen wie ein Säugling, als ich heimkam.» Kirsten prüfte mit der flachen Hand den Sitz ihres Haares und setzte hinzu: «Wir hatten gestern sehr viel zu tun. Einer der Yanks feierte in der Bar seine Geburtstagsparty.»
    «Verstehe.»
    Meine Frau war Lehrerin, arbeitete jedoch als Kellnerin in einer amerikanischen Bar in Zehlendorf, zu der nur amerika nisches Militär Zutritt hatte. Unter ihrem Mantel, den sie wegen der Kälte in unserer Wohnung anbehalten mußte, trug sie bereits das rote Chintzkleid und die winzige gekräuselte Schürze, ihre Berufskleidung.
    Ich wog den Kaffee in meiner Hand. «Hast du das Zeug gestohlen? »
    Sie nickte und wich meinem Blick aus.
    «Ich weiß nicht, wie du damit rauskommst», sagte ich. «Machen sie sich nicht die Mühe, euch zu filzen? Merken sie denn nicht, daß im Vorratsraum etwas fehlt?»
    Sie lachte: «Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Le bensmittel sie dort lagern. Diese Yankees verbrauchen am Tag mehr als 4000 Kalorien. Ein GI ißt deine monatliche Fleischration an einem einzigen Abend und hat immer noch Platz für Ice-Cream.» Sie beendete ihr Frühstück und zog ein Päckchen Lucky Strike aus ihrer Manteltasche. «Willst du eine?»
    «Hast du die auch gestohlen?» Aber ich nahm eine und senkte den Kopf über das Streichholz, das sie angerissen hatte.
    «Immer der Detektiv», murmelte sie und fügte ein wenig ärgerlicher hinzu: «Tatsächlich sind die Zigaretten ein Ge schenk von einem der Yanks. Einige von ihnen sind noch Jungens, weißt du. Sie können sehr nett sein.»
    «Ich wette, daß sie das können», hörte ich mich knurren. «Sie unterhalten sich gern, das ist alles.»
    «Ich bin sicher, daß dein Englisch immer besser wird.» Ich lächelte breit, um jeden Anflug von
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