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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde
Autoren: Philip Kerr
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medizinischen Untersuchung unterworfen und mit einer Anklage wegen Prostitution konfrontiert. Doch gab es auch einige, die sagten, daß sich die Russen lediglich gewaltsam das nahmen, was deutsche Frauen Briten und Amerikanern gern freiwillig verkauften.
    Ebenso vergeblich war es, sich bei der sowjetischen Kom mandantur zu beschweren, man sei beraubt worden. Man wurde höchstens darüber aufgeklärt, «alles, was die Deut schen besäßen, sei ein Geschenk des Volks der Sowjetunion ». Das reichte, um die ungezügelte Räuberei in der ganzen So wjetzone zu rechtfertigen, und man konnte manchmal von Glück sagen, wenn man am Leben blieb, um die Sache zu melden. Die Raubzüge der Roten Armee und ihrer vielen De serteure machten das Reisen in der Sowjetzone zu einem Un terfangen, das kaum weniger gefährlich war als ein Flug mit der Hindenburg. Auf der Strecke Berlin-Magdeburg waren Reisende nackt ausgezogen und aus dem Zug geworfen wor den; und die Straße von Berlin nach Leipzig war so gefähr lich, daß Fahrzeuge oft im Konvoi fuhren: Der Telegrafhatte von einem Raubüberfall berichtet, bei dem vier Boxer, unter wegs zu einem Kampf in Leipzig, angehalten und um alles, bis auf ihr Leben, beraubt worden waren. Am berüchtigtsten waren die fünfundsiebzig Raubüberfälle, begangen von der Bande «Blaue Limousine », die auf der Straße Berlin-Mi chendorf operierte und zu deren Anführern der Vizepräsi dent der sowjetisch kontrollierten Potsdamer Polizei gehörte.

    Jedem, der daran dachte, die Ostzone zu besuchen, sagte ich: «Tu's nicht»; und wenn er trotzdem darauf beharrte, sagte ich: «Trage keine Armbanduhr - die Iwans stehlen sie gern; trage nichts als deine ältesten Klamotten und Schuhe die Iwans schätzen Qualität; streite nicht und stelle keine Fragen - die Iwans haben keine Skrupel, dich zu erschießen:
    Wenn du mit ihnen sprechen mußt, schimpfe laut über die amerikanischen Faschisten; und lese keine andere Zeitung als die russisch kontrollierte Tägliche Rundschau.»
    Das waren gute Ratschläge, und ich hätte gut daran getan, sie zu befolgen, denn plötzlich war der Iwan in meinem Wag gon auf den Füßen und stand schwankend über mir. «Steigen Sie aus?» fragte ich ihn auf russisch.
    Er blinzelte besoffen und starrte feindselig auf mich und meine Zeitung, bevor er sie mir aus den Händen riß.
    Er war der Typ Bergbewohner, ein großer, einfältiger Tschetschene mit mandeIförmigen schwarzen Augen, einem breiten Kiefer, weiträumig wie die Steppe, und einer Brust wie eine umgekippte Kirchenglocke: die Sorte Iwan, über die wir Witze machen - daß sie keine Badezimmer kannten und ihr Essen in die Klobecken taten, weil sie sie für Kühl schränke hielten (einige dieser Geschichten stimmten sogar).
    «Lzi (Lügen)>>, knurrte er und fuchtelte mit der Zeitung herum. Sein aufgerissener, sabbernder Mund zeigte gelbe Zähne, groß wie Bordsteine. Er stemmte den Fuß auf den Sitz neben mir und beugte sich herunter. «Lzi», wiederholte er, während sein Atem den Gestank von Wurst und Bier in meine hilflos zuckenden Nasenlöcher trieb. Er schien meinen Abscheu zu spüren und rollte diese Vorstellung in seinem Kopf wie einen Bonbon herum. Er ließ den Telegraf zu Boden fallen und streckte seine schwielige Hand aus.
    «Ja hacho padarok », sagte er, und dann langsam auf deutsch, « .. .ich will Geschenk.» Ich grinste ihn an wie ein Idiot und stellte nüchtern fest, daß ich ihn würde töten müs sen oder selbst getötet werden würde.

    « Padarok », wiederholte ich.
    Ich stand langsam auf und zog, immer noch grinsend und nickend, meinen linken Hemdsärmel hoch, um mein nacktes Handgelenk zu entblößen. Auch der Iwan grinste inzwi schen, im Glauben, er sei auf dem richtigen Weg. Ich zuckte die Achseln.
    « 0 menia njet chasow», sagte ich, um ihm klarzumachen, daß ich ihm keine Uhr geben könne.
    « Sto 0 was jest (Was hast du sonst)?»
    « Nichto », sagte ich, schüttelte den Kopf und forderte ihn auf, meine Taschen zu durchsuchen. « Nichts.»
    « Sto 0 was jest?» sagte er noch einmal, diesmal lauter. Es war, dachte ich, als spräche ich mit dem armen Doktor No wak, dem ich bestätigen konnte, daß seine Frau tatsächlich vom MVD festgehalten wurde, um herauszufinden, was er verscherbeln konnte.
    « Nichto », wiederholte ich.
    Das Grinsen verschwand vom Gesicht des Russen. Er spuckte auf den Boden.
    « Wron (Lügner) », knurrte er und zog mich am Arm.
    Ich schüttelte den Kopf und sagte ihm, ich sei
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