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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde
Autoren: Philip Kerr
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meinen Besuch abzubrechen und nach Hause zurückzukehren.»
    «Irgendein besonderer Grund? »

    Er reichte mir das Telegramm. « Es steht drin, daß meine Mutter sich nicht wohl fühle.»
    Ich entfaltete das Blatt, warf einen Blick auf die getippte Nachricht und stellte fest, daß sie in Wirklichkeit lautete, die Mutter sei gefährlich erkrankt.
    «Tut mir leid, das zu hören.»
    Nowak schüttelte den Kopf.
    «Sie glauben Ihrer Frau nicht?»
    «Ich glaube nicht, daß meine Frau dieses Telegramm ge schickt hat», sagte er. «Meine Mutter mag ja alt sein, aber sie ist von bemerkenswert guter Gesundheit. Noch vor zwei Tagen hat sie Holz gehackt. Nein, ich habe den Verdacht, die Russen haben sich das ausgedacht, um mich so rasch wie möglich zurückzuholen.»
    «Warum?»
    «In der Sowjetunion herrscht großer Mangel an Wissen schaftlern. Ich denke, sie haben die Absicht, mich zu depor tieren und in einer ihrer Fabriken arbeiten zu lassen.»
    Ich zuckte die Achseln. «Warum hat man Sie dann erst nach Berlin reisen lassen? »
    «Das hieße, der sowjetischen Militärbehörde eine Tüch tigkeit zuzusprechen, die sie einfach nicht besitzt. Ich ver mute, daß der Befehl zu meiner Deportation gerade erst aus Moskau eingetroffen ist und die Behörden mich so bald wie möglich zurückhaben möchten.»
    «Haben Sie Ihrer Frau telegrafiert, um eine Bestätigung zu bekommen? »
    «Ja. Sie antwortete lediglich, ich solle sofort kommen.» «Sie wollen also wissen, ob der Iwan sie in den Fingern hat.»
    «Ich bin hier in Berlin bei der Militärpolizei gewesen», sagte er, «aber ... »
    Sein tiefer Seufzer verriet mir, mit welchem Erfolg.
    «Nein, sie würden Ihnen nicht helfen », sagte ich. «Sie hat ten recht, zu mir zu kommen.»

    «Können Sie mir helfen, Herr Gunther? »
    « Es bedeutet, in die Zone zu gehen», sagte ich, halb zu mir selbst, als müsse man mich überreden, was in der Tat zutraf. «Nach Potsdam. Es gibt dort jemanden im Hauptquartier der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland, von dem ich weiß, daß ich ihn bestechen kann. Das wird Sie was kosten, und ich denke dabei nicht an ein paar Riegel Schokolade.»
    Er nickte düster.
    «Sie haben nicht zufällig ein paar Dollar, Dr. Nowak? » Er schüttelte den Kopf.
    «Dann ist da auch noch die Frage meines Honorars.» «Woran hatten Sie gedacht? »
    Ich deutete auf seine Aktentasche. «Was haben Sie zu bie ten?»
    «Da sind leider bloß Papiere drin.»
    «Sie müssen doch was haben. Vielleicht etwas in Ihrem Hotel? »
    Er senkte den Kopf und stieß einen weiteren Seufzer aus, als er versuchte, sich an etwas Wertvolles zu erinnern, das er besaß.
    «Hören Sie, Herr Doktor, haben Sie sich gefragt, was Sie tun werden, wenn sich herausstellt, daß die Russen Ihre Frau haben? »
    «Ja», sagte er düster, und seine Augen wurden für einen Moment glasig.
    Das war deutlich genug. Es stand nicht gut um Frau No wak.
    «Warten Sie mal», sagte er, fuhr mit der Hand in die Brust tasche seines Mantels und zog einen goldenen Füllfederhalter heraus. «Ich habe das hier.»
    Er reichte mir den Füller.
    «Es ist ein Parker. Achtzehn Karat.»
    Ich schätzte rasch seinen Wert. «Ungefähr vierzehnhun dert Dollar auf dem schwarzen Markt», sagte ich. «Ja, damit hätten wir den Iwan im Sack. Die Russen lieben Füllfederhalter ebensosehr wie Uhren.» Ich hob vielsagend die Augen brauen.
    «Ich fürchte, ich kann mich von meiner Uhr nicht tren nen», sagte Nowak. «Sie war ein Geschenk - von meiner Frau.» Er lächelte dünn, als ihm die Ironie aufging.
    Ich nickte verständnisvoll und beschloß, die Sache abzu schließen, ehe sein Schuldgefühl ihn übermannte.
    «Nun zu meinem Honorar. Sie sprachen von Metallurgie.
    Sie haben nicht zufällig Zugang zu einem Labor, oder?» «Aber gewiß doch.»
    « Und zu einer Schmelze? »
    Er nickte nachdenklich und dann heftiger, als ihm em
    Licht aufging. «Sie wollen Kohlen haben, nicht wahr? » «Können Sie welche besorgen? »
    «Wieviel wollen Sie?»
    «Ein Zentner etwa würde mir reichen.» «In Ordnung.»
    «Kommen Sie in vierundzwanzig Stunden wieder her», sagte ich ihm. «Bis dahin sollte ich ein paar Informationen haben.»
    Dreißig Minuten später hatte ich, nachdem ich eine Nach richt für meine Frau hinterlassen hatte, meine Wohnung ver lassen und war auf dem Weg zum Bahnhof.
    Ende 1947 glich Berlin noch immer einer ungeheuren Akro polis aus eingestürztem Mauerwerk und zerstörten Gebäu den, einem riesigen und unübersehbaren
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