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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr
Autoren: Ulrich Ritzel
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kam einem da schon vor wie die Ewigkeit. Aber das hier ist noch mal was anderes. Einfach bloß warten. Zusehen, wie die Sekunden trödeln. Bestellt und nicht abgeholt. Eine Frau führt ihren Pudel aus, das ist alles. Die Frau trägt kniehohe Stiefel und einen schwarzen glänzenden Regenmantel, denn am Abend hat es zu regnen begonnen, unterm kurzgeschorenen Haar spürt er die Nässe auf der Kopfhaut. Vielleicht hat Dolf ihn einfach bloß verarscht. Wieder einmal. Die ganze Zeit schon hält er ihn hin. Das können sie alle gut, einen verarschen.
    Wieder wirft er einen Blick auf das Handy. Noch zehn Sekunden, jetzt acht. Plötzlich hat er es eilig, auf der Argentinischen Allee tauchen Scheinwerfer auf, im Gehen steckt er das Handy ein und steht am Straßenrand, als der Wagen – ein Opel, Mittelklasse, älteres Baujahr – auch schon ausrollt und die Beifahrertür aufgestoßen wird. Er steigt ein und hat den Arsch noch nicht richtig auf dem Sitz, als es schon wieder weitergeht.
    Aus den Augenwinkeln mustert er den Fahrer. Viel ist nicht zu sehen. Eher über die fünfzig als darunter. Ein massiger, schwerer Kerl mit Händen, die wie Schaufeln sind. Hinten sitzt noch so einer. Auch in dem Alter. Aber schmaler. Irgendetwas ist an den Männern, das ihm nicht gefällt. Niemand sagt ein Wort. Harlass wischt sich die Regentropfen von der Stirn und räuspert sich und wagt dann doch eine Frage:
    »Dolf ist nicht mitgekommen?«
    »Angurten«, sagt der Fahrer. Harlass tut es, und nach Dolf fragt er lieber nicht noch einmal. Der Wagen rollt über die Argentinische Allee Richtung Clayallee. Es regnet stärker, und die Scheibenwischer schalten sich ein.
    Aus dem Dunkel des Wagens kommt eine Stimme. »Du warst beim Bund?«
    »Ja«, antwortet Harlass. Und, nach einer Pause: »Sonthofen.«
    »Weißt du, was eine Jarygin ist?«
    »Eine Russenknarre.«
    »Schon mal eine in der Hand gehabt?«
    »Nein.«
    »Das Geld hast du dabei?« Es klingt, als sei das eine Nebensache.
    »Dreihundert.«
    »Das reicht nicht.«
    »Aber Dolf …«
    »Der interessiert uns nicht«, sagt die Stimme. Sie klingt ruhig, geschäftsmäßig. Wenn sie etwas sagt, dann gibt es weiter nichts zu sagen. So eine Stimme ist das. »Diese Sache hier läuft zwischen uns. Zwischen niemand sonst.«
    »Okay«, antwortet Harlass.
    Der Opel fährt weiter durch die Nacht. Im Nieselregen schimmern die Lichter der Straßenlaternen, manchmal werden sie von einem anderen Auto überholt, und ein Wasserschwall gischtet über die Frontscheibe.
    »Du warst im Knast.« Wieder der Mann hinten im Fond. Er fragt das nicht. Er stellt es fest. »Achtzehn Monate. Weil du auf diesen Rebbe losgegangen bist.«
    Harlass antwortet nicht. Er ist es gewöhnt, dass man so zu ihm spricht. Das Beste ist dann, nichts zu sagen.
    »Und jetzt willst du ihn umlegen. Das eine ist so blöd wie das andere. Der hat inzwischen Personenschutz. Du kommst keine zehn Meter an ihn dran, und sie haben dich schon am Wickel.«
    Vor ihnen springt eine Ampel auf Rot. Harlass überlegt, ob er einfach aussteigen soll. »Ich weiß nicht«, bringt er schließlich heraus, »was Sie von mir wollen.«
    »Nichts wollen wir von dir. Du willst was von uns. Aber wenn dir unsre Fragen nicht passen, dann steig jetzt aus.«
    Harlass räuspert sich, weil er nicht weiß, was er sagen oder tun soll.
    »Noch ist Rot«, wirft der Fahrer neben ihm ein.
    Harlass zuckt mit den Schultern. Die Ampel springt auf Gelb, der Fahrer legt den Gang ein, und der Opel rollt an.
    »Na schön«, sagt der Mann auf der Rückbank. »Ich hab hier eine 446 Viking, russisches Fabrikat, das ist die Zivilversion der Jarygin, dazu zwei Streifen Munition, du kannst aber auch NATO -Munition laden, neun Millimeter Parabellum …« Aus dem Dunkel schiebt sich eine schmale Hand nach vorne und hält eine Plastiktüte mit einem schwereren Gegenstand. »Schau dir es ruhig an … aber dreihundert Euro – verstehst du, das ist kein Preis!«
    U nd bringen Sie noch ein drittes Glas!«, sagt Stukkart, als der Kellner die Flasche geöffnet und den Sekt in den beiden Gläsern hat aufschäumen lassen. Er wendet sich an Karen. »Ich nehme an, dass Stefan uns nicht allzu lange warten lassen wird … ein paar Neuaufnahmen, nichts weiter!« Er nimmt sein Glas auf und prostet ihr zu: »Mud in your eyes!« Wieder glitzern die Augen unter den Augenbrauen, Karen lächelt zurück und hofft, dass es ein unbefangenes Lächeln ist. Sie sitzen an einem niedrigen Ecktisch, das Licht ist ihr ein
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