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Berlin 1933-1945: Stadt und Gesellschaft im Nationalsozialismus (German Edition)

Berlin 1933-1945: Stadt und Gesellschaft im Nationalsozialismus (German Edition)

Titel: Berlin 1933-1945: Stadt und Gesellschaft im Nationalsozialismus (German Edition)
Autoren: Unbekannt
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Universität Berlin.

Resümee
    Berlin war immer eine Stadt der Zuwanderer, anfangs derjenigen, die es vom Lande in die Stadt zog, später der Intellektuellen und Künstler, die sich in der Metropole mehr Offenheit gegenüber der künstlerischen Avantgarde erhofften, sowie anderer, die ganz einfach die Toleranz und Anonymität der Großstadt suchten. So unterscheidet man bis heute gern zwischen den »geborenen« und den »echten« Berlinern, den Zugewanderten. Diesen half die Erfahrung des Sich-zurechtfinden-Müssens in der Fremde nach 1933, den Entschluss zur Emigration zu fassen und sich auf unbekannte Lebensumstände einzulassen. Die großstädtischen Berliner sprachen zudem relativ häufig eine Fremdsprache und hatten teils bereits vor 1933 Kontakte ins Ausland. Meist zog es sie im Exil wieder in eine Metropole, also bevorzugt nach Prag, Paris, London, Moskau oder New York. So stellte der 1938 erschienene PHILO-Atlas unter dem Stichwort »Großstadt« fest, dass sich unverhältnismäßig viele jüdische Emigranten in den
Großstädten der Einwanderungsländer niederließen und etwa drei Viertel der nach 1933 in die USA Eingewanderten in New York geblieben seien. 44
    Großstädte haben ganz gewiss jene bevorzugt, die wegen politischer Opposition, ihrer Lebensweise oder der Verfemung der künstlerischen Moderne aus Berlin flohen. Wer aus mehreren Gründen gefährdet war, entschloss sich oft schon 1933 zur Emigration. »Exotischere« Ziele oder eher agrarwirtschaftlich strukturierte Aufnahmeländer waren für diese Emigranten zweite Wahl und standen erst zur Debatte, als es keine andere Möglichkeit mehr gab, aus Europa herauszukommen.
    Dass so viele Menschen von Berlin aus ins Exil gingen, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass die Reichshauptstadt die besten Möglichkeiten zur Emigration bot. Hier waren nicht nur viele Botschaften angesiedelt, die man für ein Visum kontaktieren musste, sondern auch zahlreiche Hilfsorganisationen, die insbesondere jüdische Berliner bei der Auswanderung unterstützten, etwa die Zentrale des Hilfsvereins der Juden in Deutschland, die ILA (Jüdische Landarbeit GmbH) und das »Palästina-Amt der Jewish Agency«. Zudem boten zahlreiche Berliner Reise-Agenturen und Speditionen ihre Hilfe bei der Auswanderung an. Dass Letztere ihre Dienste nicht ganz uneigennützig versahen und sich nicht selten an der Not der Verfolgten bereicherten, belegen die Berichte der Emigranten in den Entschädigungs- oder Wiedergutmachungsakten.
    Zur Rückkehr entschlossen sich eher die politisch Verfolgten, von denen die Mehrheit zunächst in der DDR eine politische Zukunft sah. Doch in keiner der beiden Hälften der Stadt waren die Remigranten vorbehaltlos willkommen. Erst mehr als ein halbes Jahrhundert nach Kriegsende erinnern in Berlin Gedenktafeln und Straßennamen an ihre Vertreibung.
     
    DR. CHRISTINE FISCHER-DEFOY
    (geb. 1951) ist Zeithistorikerin, Autorin und Vorsitzende des Aktiven Museums Faschismus und Widerstand in Berlin e.V.

KULTUR
    Bild 11
    Der bekannte NS-Fotograf Arthur Grimm arbeitete seit 1939 für die Wehrmachtszeitung Signal . Offenbar wollte er mit dem 1942 an der Friedrichstraße  – mit Blitzlicht – aufgenommenen Foto zeigen, dass der Kulturbetrieb in der Reichshauptstadt trotz Krieg und Verdunklung ungebrochen weiterlief. Hinter dem eingehakten Paar kommt ein typischer Stürmer -Kasten in den Blick. Unter der Überschrift »Die Juden sind unser Unglück« wurden in diesen Kästen die jeweils neuesten Ausgaben der antisemitischen Wochenzeitung ausgehängt, die seit 1935 eine wichtige Dependance in Berlin unterhielt. 1942 war die Bedeutung des Stürmers allerdings insgesamt schon gesunken – weil die Juden zu diesem Zeitpunkt weitgehend aus Deutschland verjagt beziehungsweise verschleppt worden waren. Offenbar hatte das auch eine gewisse Vernachlässigung des hier abgebildeten Kastens zur Folge. Im Theater am Schiffbauerdamm feierte der bedeutende Berliner Theaterdirektor Ernst Josef Aufricht 1928 mit der Uraufführung des bis heute erfolgreichsten deutschen Bühnenwerkes, Die Dreigroschenoper von Bertolt Brecht und Kurt Weill, seinen Einstand. Aufricht und Weill wurden als Juden verfolgt und flohen – wie auch Brecht – noch 1933 ins Exil.

Baustile und Inszenierungsmittel
    Im nationalsozialistischen Herrschaftssystem hatte die Architektur die gesellschaftliche Aufgabe, politische Botschaften zu transportieren. Hans Stephan, Mitarbeiter in der Dienststelle des GBI,
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